Bei Steven (32) aus Gelsenkirchen sitzt der Schock noch immer tief. Er ist nach eigenen Angaben am Freitagabend (28. April) Zeuge dramatischer Szenen geworden. Als er nach einem Kino-Besuch auf die Adenauerallee kam, sah er schon den ersten Rettungswagen. Rettungskräfte kämpften um das Leben eines Fahrradfahrers (59).
Der Mann war über einen herumliegenden E-Scooter gefahren. Dabei stürzte er so unglücklich, dass er an den Folgen des Unfalls verstarb (mehr hier). Die Polizei ermittelt derzeit, ob das Fahrzeug mutwillig umgeschmissen oder womöglich durch einen Windstoß umgekippt wurde, sagte eine Sprecherin der Polizei Gelsenkirchen gegenüber DER WESTEN. Der Vorfall lässt Steven jedenfalls nicht los – vor allem nicht nach einer Entdeckung ein paar Tage später in Gelsenkirchen.
Gelsenkirchen: „Menschen lernen nie aus tragischen Ereignissen“
So stieß der 32-Jährige erneut auf einen achtlos abgestellten E-Scooter auf der Mittelinsel einer Kreuzung in Gelsenkirchen. Seine Erkenntnis: „Leider lernen die Menschen nie aus tragischen Ereignissen.“ In einer lokalen Facebook-Gruppe brandete durch die Vorfälle die Diskussion über den Nutzen und die Gefahr von E-Scootern im öffentlichen Raum wieder auf.
„Kann auch gerne weg der Mist. Sehe die Dinger auch immer irgendwo rumliegen“, schreibt einer. Andere geben zu bedenken, dass auch mit anderen Verkehrsmitteln Unfälle geschehen. Einer schreibt ironisch: „Da immer wieder abgetretene Mülleimer in Gelsenkirchen auf den Fuß- und Radwegen liegen, sollte man Mülleimer sofort verbieten!“ Weil sich die Anzahl von E-Scootern im öffentlichen Raum immer mehr erhöht, fordern viele jedoch, dass Betreiber mehr in die Pflicht genommen werden.
So reagieren E-Scooter-Firmen
Mehrere der großen E-Scooter-Verleihe in Deutschland verweisen auf Nachfrage von DER WESTEN auf zahlreiche Änderungen, die Risiken vermindern sollen. Bolt-Sprecher Jan Kronenberger bedauert den Vorfall in Gelsenkirchen und spricht wie die Kollegen von Lime und TIER und von einem tragischen Unglück. Allen sei daran gelegen, die Wahrscheinlichkeit von Unfällen auf ein Mindestmaß zu reduzieren.
Um das zu erreichen, verweisen die Unternehmenssprecher auf die Einführung bestimmter Sicherheits-Maßnahmen, bei und nach Abschluss der Fahrt. So haben die meisten Unternehmen mittlerweile ein Sicherheitstutorial etabliert, das den Nutzern unter anderem die Regeln zum Abstellen der E-Scooter erklärt. Zudem müssen Nutzer mittlerweile bei vielen Anbietern nach Abschluss der Fahrt ein Foto hochladen, um zu zeigen, dass der E-Scooter ordnungsgemäß abgestellt wurde. „Wenn das Fahrzeug umgekippt ist, können unsere Nutzer dieses (Foto) nicht machen, sich nicht ausloggen und müssen eine gewisse Zeit weiter zahlen“, klärt Kronenberger auf. Außerdem seien bestimmte Abstellbereiche – etwa in der Nähe von Gewässern – gesperrt.
Unternehmen haben klare Forderung
Das schützt natürlich nicht vor Dritten, die sich nach dem Abstellvorgang mutwillig an den E-Scootern zu schaffen machen. Für solche Fälle haben die Unternehmen ein Meldesystem etabliert. „Wenn eine Meldung eingeht, ist unser Anspruch, dass unsere Mitarbeiter innerhalb weniger Stunden an Ort und Stelle sind“, sagt Kronenberger. Zudem habe Bolt in mehreren Städten (darunter Düsseldorf, Köln und Neuss) ein Warnsystem für Blinde eingeführt. Denn die sind durch parkende Roller auf Gehwegen besonders gefährdet. Betroffene können sich eine App herunterladen, die E-Scooter in der Umgebung erkennt. Sobald sich eine Person einem E-Scooter des Unternehmens nähert, schickt die App ein Signal an das Fahrzeug, das dann einen Ton zur Orientierung abgibt. Bolt möchte die Technologie nach eigenen Angaben bald auf weitere Städte ausrollen.
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In der Diskussion um das Parken im öffentlichen Raum nehmen die Anbieter aber auch die Städte in die Pflicht. Sie fordern engmaschige Abstellflächen für E-Scooter, damit diese in Zukunft nicht mehr auf Gehwegen abgestellt werden müssen. Idealerweise würden in dem Zuge Pkw-Parkplätze zurückgebaut, um eine Verkehrsverlagerung vom motorisierten Individualverkehr zu erreichen, fordert eine Lime-Sprecherin. „Stellen Sie sich eine Stadt vor, in der es keine Parkplätze für Autos gibt. Das Ergebnis wären Chaos und wild geparkte Autos. Einfach weil die Infrastruktur nicht bereitgestellt wird“, sagte sie als Denkanstoß. Als gute Beispiele nannte sie etwa die Städte Düsseldorf und München. „Bei einer ausreichenden Dichte dieser Flächen – etwa alle 100 bis 150 Meter – sprechen wir uns für eine verpflichtende Nutzung dieser Flächen durch unsere Fahrer:innen aus“, so die Lime-Sprecherin. Durch das Parken auf solchen ausgewiesenen Flächen erhoffen sich die Unternehmen, dass die Wut einzelner Verkehrsteilnehmer auf die Fahrzeuge sinkt.