Der überraschende Vorstoß von Hubertus Heil, das Bürgergeld für Totalverweigerer für zwei Monate voll zu streichen, sorgt für Empörung bei der politischen Linken. Auch an der SPD-Basis gibt es schon Widerstand gegen das neue Gesetz.
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Sozialdemokrat Heil hatte angekündigt, dass jene, die den Sozialstaat nur ausnutzen wollen, lediglich die Miete und Heizung bezahlt bekommen, damit sie nicht obdachlos werden. Ansonsten soll es für sie als Sanktion keine Regelsatz-Auszahlung geben!
Jusos-Chef: Bürgergeld-Streichung ist nicht mit Grundgesetz vereinbar
Der Chef der Jusos, Philipp Türmer, hält überhaupt nichts von der geplanten Bürgergeld-Streichung als Stafe. „In einem Rechtsstaat ist es nicht vertretbar, Menschen als Sanktion hungern zu lassen“, so der führende Nachwuchs-Sozialdemokrat gegenüber dem „Tagesspiegel“. Türmer erklärte weiter, das Bürgergeld sollte eine „Abkehr von der Hartz-4-Ideologie“ sein. Es könne daher nicht angehen, dass die Leistungsbezieher erneut „ständig den Entzug ihrer Lebensgrundlage fürchten“ müssten.
Das linke Forum DL21 innerhalb der SPD schaltete sich nun mit einer Stellungnahme in die Debatte ein. Der organisierte linke Flügel der Sozialdemokraten erklärt: „Den Vorschlag, das Bürgergeld für einige Monate vollständig zu streichen, halten wir für falsch.“ Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass „ein restloses Streichen der Grundsicherung“ die Menschenwürde verletzte. „Wenn der Bundestag Vollsanktionen beschließen sollte, verstieße das gegen das Grundgesetz.“ Sowieso würden härtere Strafen nicht helfen, es brauche gute Arbeit und einen Mindestlohn von 15 Euro.
SPD-Basismitglieder: „Jahreslang dafür gekämpft, Hartz 4 zu ersetzen“
Auch den Sozialen Netzwerken gibt es Unmut gegen dieses Vorhaben. SPD-Basismitglieder sehen das höchst kritisch. So schreibt Jan Bühlbecker, ein Ortsvereinsvorsitzender aus Wattenscheid, auf X: „Wir haben Jahre dafür gekämpft, Hartz 4 durch ein menschenwürdiges System zu ersetzen und mit dem Bürgergeld einen Kompromiss gefunden. Die Rückkehr zu rücksichtslosen und nicht verfassungskonformen Sanktionen ist weder SPD-Programm noch Koalitionsvertrag, lieber Hubertus Heil.“
Auch der Hamburger Genosse Otmar Tibes geht dort auf Distanz zum Heil-Plan: „Kleiner Reminder an meine SPD: Wir sind vor zwei Jahren dafür angetreten, Hartz 4 mit dem Bürgergeld zu überwinden, nicht noch zu verschärfen.“
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Während es in linken Parteikreisen rumort, sollen aber Spitzen der Partei, die ebenfalls dem linken Flügel angehören, zuvor eingeweiht gewesen sein. So meldet die „Bild“, dass Parteichefin Saskia Esken und Generalsekretär Kevin Kühnert dem Plan zustimmten, bevor Heil an die Öffentlichkeit ging.
Bürgergeld-Empörung: „Heil holt den Rohrstock raus“
Doch nicht nur an der SPD-Basis brodelt es. Auch in linken Initiativen und Wohlfahrtsverbänden zeigt man sich entsetzt über das neue knallharte Bürgergeld-Vorgehen. Christoph Bautz, geschäftsführender Vorstand der Online-Kampagnenplattform Campact, erklärt: „Wenige Tage nach Weihnachten das Bürgergeld bei denen zu kürzen, die sowieso kaum was haben, ist einfach nur perfide.“
Die Bürgergeld-Aktivistin Helene Steinhaus vom Verein „Sanktionsfrei“ findet drastische Worte: „Heil holt den Rohrstock gegen die Ärmsten raus – Symbolpolitik, die allein den autoritären Ungeist der Rechtsextremen befriedigen soll.“
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„Wird viel Schaden anrichten“ – trifft es Suchtkranke?
Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wolfahrtsverbandes, wähnt Heil „getrieben von der CDU“ und wirft ihm ebenfalls „hilflose Symbolpolitik“ vor. Totalverweiger in Bürgergeld-Bezug seien eine „verschwindend geringe Minderheit“, dennoch werde das neue verschärfte Gesetz „wieder Vorurteile befeuern und spalten“ und „viel Schaden“ anrichten, so Schneiders Prognose.
Die Diakonie findet den Heil-Plan „kontraproduktiv“. „Aus unserer täglichen Beratungspraxis wissen wir, dass Sanktionen besonders Menschen mit besonderen Problemen hart treffen, zum Beispiel jene, die nicht gut lesen und schreiben können, oder Personen mit psychischen Erkrankungen oder Suchtproblemen“, so die Sozialvorständin der Diakonie, Maria Loheide, laut dem Evangelischen Pressedienst.
Arbeitsminister Heil, der zuvor schon gegen Sozialschmarotzer austeilte, rechtfertigt seine Reform damit, dass es nicht sein könne, „dass eine kleine Minderheit das ganze System in Verruf“ bringe. Die Einführung der 100-Prozent-Sanktion sei daher auch im Interesse der aufrichtigen Bürgergeld-Empfänger.