Bisher wurde Elterngeld an Paare ausgezahlt, deren gemeinsam versteuerbares Einkommen unter der Marke von 300.000 Euro lag. Aufgrund von Sparmaßnahmen plant Familienministerin Lisa Paus (Grüne), diese Einkommensgrenze auf 150.000 Euro zu senken – und das bereits ab Januar. Eine von Unternehmerin Verena Pausder gestartete Petition will das verhindern.
Kein Elterngeld mehr für Besserverdiener hält Pausder für den falschen Weg. In welchen Bereichen sie mehr Potenzial für Einsparungen sieht und welche Auswirkungen die Streichung auf Familien hat, verrät sie im Gespräch mit dieser Redaktion.
Elterngeld-Streichung: „Falsches Signal“
Welche Beweggründe haben Sie dazu veranlasst, diese Petition ins Leben zu rufen?
An dem Tag als die Nachricht kam, haben mir ganz viele Menschen über Instagram, LinkedIn und E-Mail geschrieben. Erst dachte ich, dass ich den Kampf nicht kämpfen kann. Aber als abends die Nachrichten nicht aufhörten, habe ich gedacht: Es kann eigentlich nicht sein, dass wir in Zeiten, in denen wir so viel Budget in Militär, Corona und Chipfabriken stecken, jetzt 300 Millionen bei Eltern sparen.
Man spart bei Menschen, die zum Teil eine lange Ausbildung haben, bei Fachkräften und Handwerkern. Wenn diese Menschen als Paar jetzt über der Schwelle liegen und ihnen das Elterngeld auf 0 gekürzt wird, dann ist das ein falsches Signal in Zeiten, in denen wir dankbar sein sollen für alle Menschen, die hier ihre Zukunft sehen.
Haben Sie bereits Unterstützung von politischen Entscheidungsträgern oder der Öffentlichkeit erhalten?
Die Resonanz war viel größer als ich dachte. Dass über 600.000 Menschen eine Petition unterschreiben, hätte ich mir im Traum nicht vorstellen können. Von Wolke Hegenbarth und Lea-Sophie Cramer wurde ich unterstützt, und ansonsten von ganz vielen Betroffenen. Bei vielen Parteien hat es dazu geführt, sich zu fragen: ‚Fällt uns da nicht noch was Besseres ein?‘
Verschiedene Auswirkungen auf Familien
Ein Gegenargument könnte sein, dass Familien mit hohem Einkommen die finanzielle Unterstützung weniger dringend benötigen.
Es ist völlig unbestritten, dass 150.000 Euro versteuerbares Haushaltseinkommen viel Geld sind. Und das steht den Paaren dann ja nicht mehr zur Verfügung. Die Elterngeldstreichung führt dazu, dass ein Gehalt wegfällt, meistens das der Frau, weil sie in der Regel weniger verdient. Viele haben aufgrund des Elterngelds von monatlich 1.800 Euro Entscheidungen getroffen. Das sind jetzt irreversible Entscheidungen – einen Darlehensvertrag zum Beispiel kann man dann nicht mehr abschaffen.
Ich verstehe nicht, dass wir bei Eltern sagen, hier gibt es eine Schwelle, ab hier seid ihr zu reich. Bei anderen Leistungen wie dem Arbeitslosengeld hat man unbegrenzt nach oben die Möglichkeit, zu partizipieren.
„Ein falsches Signal in Zeiten, in denen wir dankbar sein sollen für alle Menschen, die hier ihre Zukunft sehen“
– Verena Pausder, Unternehmerin
Wie beschreiben Sie die Auswirkungen der geplanten Änderung auf Familien?
Die Zuschriften zeigen, dass viele ihren Kinderwunsch nach hinten verschieben. Besonders schlimm: Schwangere mit einem Geburtstermin rund um Anfang Januar planen einen Kaiserschnitt Ende des Jahres. Das zeigt einfach, dass es für diese Familien einen Unterschied macht, ob sie das Elterngeld bekommen.
Dieses Land könnte sich Deutschland als Vorbild nehmen
Welche Änderungen schlagen Sie vor, um das Elterngeld-System gerechter zu gestalten?
Am liebsten wäre mir, dass wir gar nicht im Familienhaushalt sparen. Drei Milliarden für ein Dienstwagenprivileg, acht Milliarden für Diesel-Subventionen, sieben Milliarden für die Steuerfreiheit für Kerosin und das jährlich – das Schönste wäre, wenn der Haushaltsausschuss sagen würde, dass das nicht im Verhältnis steht.
Wenn es dafür keinen Konsens in der Ampel gibt und im Familienhaushalt gespart werden muss, dann könnte man das gemeinsame Nehmen von Partnermonaten nach den ersten drei Monaten abschaffen. Diese nehmen eher die besserverdienenden Paare, denn Menschen mit weniger Geld können es sich nicht leisten, dass beide gleichzeitig Elternzeit nehmen. Ansonsten könnte man schrittweise die Väter-Monate nach oben ziehen.
Oder den im Kinderfreibetrag verankerten Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsaufschlag (BEA) könnte man um 12 Prozent senken. Das ergäbe eine Einsparung von circa 300 Millionen Euro im Jahr und würde bei den höheren Einkommen circa 300 Euro weniger Freibetrag pro Jahr bedeuten. Dann hätte man die gesamte Elterngeld-Streichung refinanziert. Der BEA zählt nicht zur Existenzsicherung des Kindes.
Gibt es Beispiele aus anderen Ländern, die ein gerechteres Modell für die Elternzeit bieten?
Schweden steht hier ganz vorne. Nimmt jedes Elternteil gleich viel Elternzeit, bekommen sie als Paar nochmal zwei Monate obendrauf. Das hat dazu geführt, dass Kinderbetreuung auf Augenhöhe stattfindet.
In Deutschland gibt es gleichstellungsmäßig eine Schieflage, die Frau macht über die Maßen mehr als der Mann. Hier sollte man gerade nicht noch mehr Steine in den Weg legen.
Wie geht es jetzt konkret in Deutschland weiter?
Das Familienministerium hat jetzt sechs Wochen Zeit, um zu reagieren. Da wird es jetzt hoffentlich einen beschleunigtes Verfahren geben, weil der Haushalt schon Anfang Dezember beschlossen wird. Wenn das durchgeht, kommt der Vorschlag des Familienministeriums in drei bis vier Wochen und dann haben sie entweder gar nichts geändert oder es angepasst. Meine große Hoffnung ist, dass da etwas angepasst wird und dass wir Anfang Dezember, wenn der Haushalt verabschiedet wird, nicht die Elterngeld-Streichung von 300 Millionen da drin haben.