Essen.
Öffentlichkeitsfahndungenvon Polizei und Staatsanwaltschaft sind eine sensible Angelegenheit. Weil in Deutschland bis zur Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt, stehen diesem Mittel der Strafverfolgung zunächst die Persönlichkeitsrechte eines Tatverdächtigen im Weg.
Öffentlichkeitsfahndungen sind erst dann zulässig, wenn die Identifizierung eines Tatverdächtigen „auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert“ ist. Für die Polizei hat dieser Auszug aus der Strafprozessordnung (§ 131b – Absatz 1) konkrete Auswirkungen.
Öffentlichkeitsfahndungen: Das muss die Polizei beachten
„Die Ermittler müssen zunächst alle möglichen Ermittlungswege ausschöpfen“ erklärt Annika Koenig, Sprecherin der Polizei Essen. „Erst dann können sie bei der Staatsanwaltschaft anregen, eine Öffentlichkeitsfahndung zu beantragen“, so Koenig.
„Ohne richterlichen Beschluss kann die Polizei kein Foto zur öffentlichen Fahndung freigeben“, stellt die Essener Oberstaatsanwältin Annette Milk klar.
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Richter entscheiden auch nach Dringlichkeit
Viele Bürger wundern sich, warum zum Teil Monate vergehen, bevor sich die Ermittler an die Öffentlichkeit wenden. Das kann ermittlungstaktische Gründe haben, sei aber laut Koenig auch abhängig von der Schwere des Delikts. „Da gibt es einen Unterschied zwischen einem Taschendiebstahl und einer versuchten Tötung“, so die Essener Polizeisprecherin.
Bei schweren Delikten oder Gefahr für die öffentliche Sicherheit wird die Öffentlichkeit deswegen viel schneller mit einbezogen. Annika Koenig hebt aber hervor, dass die Polizei auch bei kleineren Delikten „in der Zwischenzeit natürlich nicht untätig“ sei.
Warum die öffentliche Suche nach Vermissten schneller geht
Bei Vermisstenfällen können die Ermittler anders vorgehen: „Da holen wir uns häufig das Einverständnis der Familie ein“, erklärt Annika Koenig, Sprecherin der Polizei Essen.
Schließlich werde in der Regel nach Menschen gesucht, die in Lebensgefahr seien oder bei denen man davon ausgehen müsse, dass sie sich selbst verletzen könnten.
In beiden Fällen müssen Polizei und Medien die Bilder nach erfolgreicher Identifizierung eines Tatverdächtigen oder eines Vermissten löschen. Denn da greift wieder das Recht am eigenen Bild.