Veröffentlicht inPolitik

Elterngeld: Werden Selbstständige im Stich gelassen? „Als schwangere Unternehmerin passe ich nicht ins System“

Wie sich Schwangerschaft und Berufstätigkeit vereinen lässt, ist für Angestellte klar geregelt. Für selbstständige Schwangere sieht das anders aus.

Wie sich Schwangerschaft und Berufstätigkeit vereinen lässt, ist für Angestellte klar geregelt. Für Selbstständige Schwangere sieht das anders aus.
© IMAGO / Westend61

ElterngeldPlus: Das ist der Partnerschaftsbonus

Das Basiselterngeld kennt jeder – mit dem Partnerschaftsbonus kann das Geld bei Teilzeit-Arbeitenden Eltern noch bis zu vier Monate aufgebessert werden. Das Video erklärt die Voraussetzungen.

Elterngeld soll innerhalb des ersten Jahres nach einer Geburt einen „finanziellen Schonraum“ schaffen, das gilt sowohl für Arbeitnehmer als auch für Selbstständige. Allerdings ist der Mutterschutz und die Elternzeit für Selbstständige wesentlich komplizierter.

„Als schwangere Unternehmerin passe ich nicht ins System“, sagte die selbstständige Tischlermeisterin und Restauratorin Johanna Röh gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Mit einer Petition an den Deutschen Bundestag fordert sie, dass selbstständige Schwangere den gleichen gesetzlichen Mutterschutz genießen können wie Angestellte.

Elterngeld: Nachteil für Selbstständige bei Familiengründung

„Als Selbstständige ist es ein krasser Wettbewerbsnachteil, wenn ich als Frau auch noch Familie möchte“, klagt die Handwerkerin. Als Selbstständige habe sie keine Leistungen bekommen, das habe ihre Familie sehr viel gekostet. „Es war zwischendurch nicht ganz klar, ob ich den Betrieb halten kann.“

Laut Bundesfamilienministerium gilt das Mutterschutzgesetz (MuSchG) nicht für Selbstständige während der Schwangerschaft und nach der Entbindung. Der Grund: Die Schutznormen seien in erster Linie an den Arbeitgeber adressiert. Denn die Aufgabe besteht darin, „den Arbeitgeber zu verpflichten, die Gesundheit der Frau und ihres (ungeborenen) Kindes zu schützen, den Teilhabeanspruch der Frau zu ermöglichen und die Frau vor Diskriminierungen zu schützen“, so das Ministerium auf Anfrage dieser Redaktion.

Elterngeld: So werden Selbstständige unterstützt

Die Situation für Selbstständige ist eine andere: „Selbstständige sind in der Organisation ihrer Arbeit und ihrer Arbeitsbedingungen nicht an die Vorgaben eines Arbeitgebers gebunden. Sie können prinzipiell frei entscheiden, ob und zu welchem Zeitpunkt sie eine Leistung erbringen oder nicht.“ So seien selbstständige Frauen auch für die wirtschaftliche Absicherung eigenverantwortlich, aber bei Schwangerschaft nicht völlig schutzlos.

Denn: „Den unionsrechtlichen Vorgaben (Richtlinie 2010/41/EU, sogenannte Selbstständigenrichtlinie) entsprechend besteht nach Auffassung der Bundesregierung für selbständig erwerbstätige Frauen die Möglichkeit einer Absicherung eines möglichen Verdienstausfalls bei Schwangerschaft und Mutterschaft während der Schutzfristen“:

  • Freiwillig gesetzlich versicherte selbstständige Frauen haben einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld, sofern sie einen Anspruch auf Krankengeld haben: Dieses werde für den Zeitraum der gesetzlichen Schutzfristen gezahlt (mindestens 6 Wochen vor bzw. 8 Wochen nach der Geburt, sowie Entbindungstag). Die Höhe beträgt 70 Prozent des Bruttoeinkommens
  • Selbständige, mit einer privaten Krankentagegeldversicherung haben während der Schutzfristen und dem Tag der Entbindung einen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Krankentagegeldes (100 Prozent des Arbeitseinkommens)

Elterngeld: Schwangerschaft muss gut geplant sein

Selbstständig Schwangere entscheiden selbst darüber, wie lange sie bis zur Geburt arbeiten – klar ist jedoch, dass eine Schwangerschaft gut geplant sein muss: „Zur Vorsorge für die Zeit der Schwangerschaft und nach der Entbindung kann es ratsam sein, dass sich die selbstständig erwerbstätige Frau frühzeitig über die Absicherungsmöglichkeiten informiert, die während der gesetzlichen Schutzfristen und am Entbindungstag vorgesehen sind“, so das Familienministerium.

Auch rät das Ministerium für die Zeit nach der Geburt frühzeitig Elterngeld zu beantragen. „Neben einigen Regelungen, welche die besondere Situation von selbstständigen Eltern im Elterngeld berücksichtigen, können sie besonders von der Flexibilität des ElterngeldPlus profitieren“, erklärt das Ministerium. Dabei werde der Wunsch, früh nach der Geburt wieder in den Job einzusteigen, durch die Kombination aus Teilzeitarbeit (max. 32 Stunden pro Woche) und Elterngeldbezug erleichtert.

Elterngeld: „Gesellschaftliches Anliegen, nicht ein rein privates“

Johanna Röh fordert eine Veränderung. „Das ist ein gesellschaftliches Anliegen, nicht ein rein privates“, macht die 35-Jährige deutlich. Mittlerweile hat sich der Petitionsausschuss des Bundestags mit dem Anliegen auseinandergesetzt. „Alle demokratischen Parteien haben positiv darauf reagiert“, erklärte Anke Hennig, SPD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Osnabrück-Land. Der parlamentarische Prozess sei damit gestartet worden, könnte aber lange dauern. Denn das Vorhaben sei komplex – es falle in die Zuständigkeit mehrerer Ministerien.


Auch interessant:


Das Bundesfamilienministerium wollte auf Anfrage die Erfolgschancen auf eine Änderung nicht beurteilen. Bereits im Dezember sah Bundesfamilienministerin Lisa Paus Regelungsbedarf: „Gleichbehandlung zwischen Selbstständigen und Angestellten ist nicht ganz einfach. Aber es muss auch Selbstständigen möglich sein, ohne zu hohe Hürden eine Familie gründen zu können“, sagte die Grünen-Politikerin den Funke-Zeitungen. „Daher sollten wir auch die Freistellung für Selbstständige ermöglichen.“