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Bürgergeld: Zahl der Totalverweigerer gar nicht bekannt!

Im Zusammenhang mit dem Bürgergeld wird immer wieder von Totalverweigerern gesprochen. Dabei weiß man gar nicht, wie viele es gibt!

Fehlanreize beim Bürgergeld
© IMAGO/Bihlmayerfotografie

Das ist das Bürgergeld und so viel steht jedem zu

Wir verraten dir in diesem Video alles, was du über das Bürgergeld wissen musst.

Die Diskussion um das Bürgergeld erhitzt die Gemüter. Immer wieder fällt eine Zahl: 100.000 Menschen, die angeblich nicht arbeiten wollen.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte kürzlich: „Die Statistik legt nahe, dass eine sechsstellige Zahl von Personen grundsätzlich nicht bereit ist, eine Arbeit anzunehmen.“ Er fordert deswegen schärfere Sanktionen beim Bürgergeld.

Das löste heftige Reaktionen aus – auch innerhalb der CDU gab es Kritik. Christian Bäumler von der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) hielt dagegen:  „Die Forderung von Carsten Linnemann geht an der Wirklichkeit vorbei. Wer für die Jobcenter nicht erreichbar ist, hat häufig psychische Probleme.“ Wie zuverlässig sind diese Zahlen wirklich?

„Statistisch nicht erfasst“

Ein genauer Blick in die Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigt: Es gibt kein Merkmal „arbeitsunwillig“. Die BA teilt Arbeitslose, die Bürgergeld beziehen, nach Vermittlungshemmnissen ein. Rund 235.000 Menschen fallen in keine dieser Kategorien wie Alter, Schwerbehinderung oder fehlende Qualifikation. Aber sind das alles Arbeitsunwillige?

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Ein Sprecher der BA sagt zum „Spiegel“ dazu: „Eine Zahl der Totalverweigerung lässt sich daraus nicht seriös ableiten, das wird statistisch nicht erfasst.“ Zum Beispiel gelten alleinerziehende Mütter als arbeitsfähig, wenn ihre Kinder älter als drei Jahre sind. In der Realität fehlt ihnen aber oft ein Betreuungsplatz. Im Juli 2023 betraf das knapp 32.000 Frauen.

Auch die Dynamik des Arbeitsmarktes erschwert eine genaue Erfassung. Jeden Monat gibt es Zu- und Abgänge: Menschen finden Arbeit oder verlieren sie, was die Zahlen ständig verändert.

Gesundheitliche Probleme

Zudem hätten viele der vermeintlichen Arbeitsverweigerer gesundheitliche Probleme, sind in Weiterbildung oder befinden sich in schwierigen Lebenssituationen.



Harte Sanktionen beim Bürgergeld könnten mehr schaden als helfen, warnen deswegen auch viele Experten. Sie fordern stattdessen mehr individuelle Förderung und Anreize, um Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Totalverweigerer gibt es dennoch – wie viele es sind, lässt sich kaum ermitteln.