Oft werden armutsgefährdete Menschen als „Sozialschmarotzer“ oder „Faulenzer“ abgestempelt, die angeblich die Früchte der Gesellschaft ernten, ohne dafür einen Beitrag zu leisten. Mit diesen Vorurteilen sind daneben auch oft Bürgergeld-Empfänger konfrontiert.
Doch die Wirklichkeit ist komplexer als diese simplen Stereotypen: Arbeitslosigkeit, niedrige Löhne, mangelnde Bildungsmöglichkeiten und prekäre Wohnverhältnisse. Der Paritätische Gesamtverband hat fünf Aussagen über Armut genauer unter die Lupe genommen und den Wahrheitsgehalt gecheckt.
Bürgergeld: Millionen von Armut bedroht
- „In Deutschland gibt es doch gar keine Armut“
Falsch. In Deutschland sind neusten Berechnungen des Statistischen Bundesamts zufolge 17,3 Millionen Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Dafür muss mindestens eine der folgenden drei Bedingungen erfüllt sein: Ein Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze, erhebliche materielle und soziale Entbehrung im Haushalt oder eine sehr geringe Erwerbsbeteiligung. Als armutsgefährdet gilt man, wenn das Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung (2022: 1.250 Euro netto im Monat) beträgt. Laut Paritätischem Gesamtverband spricht man in Deutschland also auch von relativer Armut, davon seien aktuell 14,1 Millionen Menschen betroffen.
- „Arme Menschen geben ihr Geld doch nur für die falschen Dinge aus“
„Dieses Vorurteil zeigt eine Unkenntnis über die finanziellen Realitäten von armen Menschen“, betont Jonas Pieper, Referent Übergreifende Fachfragen des Paritätischen. So gehe man davon aus, dass es bei einem sparsamen Lebensstil gelinge, auch mit sehr wenig Geld über den Monat zu kommen. Aber: Armutsgefährdetete Menschen müssen gezwungenermaßen sparsam leben, können im Gegensatz zu anderen oftmals kein Geld für andere gar falsche Dinge ausgeben. Auch die Diakonie Deutschland betonte, dass der Bürgergeld-Regelsatz von 502 Euro monatlich auch nicht für eine gesunde Ernährung reiche.
Bürgergeld: Arbeit statt Faulenzen?
- Arme Menschen brauchen einen Job, keine Sozialleistungen“
Das trifft nicht zu. In Deutschland sind knapp neun Prozent von Armut betroffen – und das trotz Arbeit. Sie haben laut Statistischem Bundesamt weniger als 1.250 Euro im Monat zur Verfügung. Dazu zählen nicht nur Erwerbstätige mit befristeten und unbefristeten Arbeitsverträgen, sondern auch Teil- und Vollzeitbeschäftigte. „Das liegt tatsächlich daran, dass im Zuge der Hartz-Reformen und der damit verbundenen Arbeitsmarktpolitik die Politik massiv den Niedriglohnsektor ausgebaut und gefördert hat. Und wer zu Niedriglohn-Bedingungen arbeitet, ist überdurchschnittlich häufig von Erwerbsarmut betroffen“, so Soziologin Dorothee Spannagel gegenüber SWR.
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- „Arme Menschen haben nichts zu tun“
Immer wieder herrscht das Vorurteil „Hartz 4 und der Tag gehört dir“ in vielen Köpfen vor, wenn es um armutsbetroffene Menschen geht. Doch laut Paritätischen lässt sich auch das widerlegen. „Arme Menschen sind ehrenamtlich tätig. Sie pflegen Angehörige und betreuen Kinder. Sie gehen zur Schule, zur Universität oder sind in Ausbildung“, betont Pieper weiter. Und: Auch Menschen mit Arbeit können von Armut betroffen sein.
- „Das beste Mittel gegen Kinderarmut ist Bildung“
Bildung kann als ein Mittel gegen Kinderarmut gesehen werden, so Pieper. Allerdings dürfe Bildung nicht gegen Geld ausgespielt werden. „Tatsächlich ist Geld aber das schnellste und effektivste Mittel gegen Kinderarmut“, betont Pieper weiter. Das Deutsche Kinderhilfswerk, der Verband sanktionsfrei und auch der Paritätische fordern deshalb auch eine Kindergrundsicherung.