Man hört es immer wieder, egal ob in der Kantine, bei der Familienfeier oder in politischen Talkshows: Das Bürgergeld sei so großzügig und die Sanktionen so lasch, dass man doch blöd sei, als Geringverdiener zu arbeiten!
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Stattdessen würden viele Leute lieber faul auf der Couch liegen und sich vom Staat ihr Leben finanzieren lassen, statt für einen kleinen Lohn um 6 Uhr morgens aufzustehen. Wenn da nur nicht die Fakten wären…
Bürgergeld beziehen statt arbeiten zu gehen?
Im vergangenen Jahr gab es eine Rekordbeschäftigung in Deutschland – den höchsten Jahresschnitt seit der Wiedervereinigung. Trotz der Rezession waren im Schnitt 45,9 Millionen Menschen in Deutschland beschäftigt. Das waren rund 330.000 mehr als 2022. Es gab auch keine Abwanderung ins Bürgergeld!
Seit Januar 2023 gibt es das Bürgergeld und es ist nicht so, dass es Scharen von Menschen anlockt. Die Zahl der wegen Job-Verlust neu Grundsicherung beziehenden Menschen ist auf einen Tiefststand gesunken. Es waren 341.000 Menschen, etwa 54.000 weniger als 2022. Seit Hartz 4 eingeführt wurde, gab es nie weniger Neuzuänge in der Grundsicherung als 2023.
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Rekordbeschäftigung statt Kündigungswelle
Somit gibt es statistisch keine Belege, dass es zu Massenkündigungen gekommen ist, weil das Bürgergeld die bequemere Alternative darstellt. Das hat eine Antwort der Ampel-Regierung auf eine Anfrage der Fraktion der Grünen ergeben, berichtete zuerst die Deutsche Presse-Agentur.
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Trotzdem wurden diese Befürchtungen in der politischen Debatte rund um das Bürgergeld immer wieder hervorgebracht. So behauptete der Bundesverband des Gebäudereiniger-Handwerks im Oktober unter Berufung auf eine eigene Umfrage, dass in 28 Prozent der Unternehemen aus dieser Branche Mitarbeiter mit Verweis auf das Bürgergeld gekündigt haben oder das vorhätten.
Auch aus der CDU/CSU gab es immer wieder diese Prophezeiungen. CDU-Chef Friedrich Merz warnte in der „Bild“: „Wir werden künftig mehr Arbeitslosigkeit bekommen!“ Bislang ist das Gegenteil der Fall. Grünen-Abgeordneter Frank Bsirske, früher Chef der Gewerkschaft verdi, spricht daher gegenüber der dpa von einer „verantwortungslosen Stimmungsmache“.
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„Überbietungswettbewerb“ bei Sanktionen
Währenddessen warnt die Chefin der Bundesarbeitsagentur, Andrea Nahle, vor einer „Populismusspirale“ und einem „Überbietungswettbewerb“ mit immer härten Vorschlägen für Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger. Ihr Haus versuche „immer belegbare Zahlen, Fakten und Daten zu liefern und darüber wieder ein Stück Realismus in die Debatte zu bringen.“