Einer der bekanntesten Gefängnis-Direktoren Deutschlands geht in den Ruhestand: Michael Skirl, Knast-Chef der JVA Werl. Die sitzen im Hochsicherheitstrakt Häftlinge wie der Geiselgangster Degowski, Mörder, Gewaltverbrecher, Sexualstraftäter.
Werl.
Bei ihm sitzen, bei ihm saßen die „harten Jungs“. Männer wie der Gladbecker Geiselgangster Degowski. Mörder, Gewaltverbrecher, Sexualstraftäter. Sein Haus, die Justizvollzugsanstalt Werl, wird deshalb schon mal als eines der härtesten Deutschlands betitelt. Er selbst jedenfalls, Michael Skirl, hat sich als Gefängnis-Direktor einen Namen gemacht. Wegen seiner profunden Kenntnisse zum Thema Sicherungsverwahrung. Und bei alledem bewahrt er sich seinen Humor. Obsttörtchen aus der anstaltseigenen Bäckerei serviert er schon mal Besuchern gern süffisant: „Von Mörderhand gebacken, wohl bekomm’s!“
Es gab Zeiten, da war er der wohl bekannteste Gefängnis-Chef im Land. 2010, als der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gerade die deutsche Sicherungsverwahrung für rechtswidrig erklärt hatte. Jene Regeln, nach denen Schwerverbrecher auch am Ende ihrer Haft, nach verbüßter Strafe, noch hinter Gittern bleiben müssen, weil man sie als gefährlich einschätzt.
Da beriet Michael Skirl die um neue Richtlinien bemühte Bundesregierung. Da zog TV-Talkerin Sandra Maischberger mitsamt ihrer Show für einen Tag in sein Gefängnis. Und er selbst schrieb in Anlehnung an eine Forderung des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder sein Buch „Wegsperren!? Ein Gefängnisdirektor über Sinn und Unsinn der Sicherungsverwahrung“.
Antharzitfarbener Pulli statt Anzug
Als Michael Skirl anfing, vor bald 35 Jahren, als Regierungsrat zur Anstellung in der JVA Duisburg-Hamborn, fremdelte er noch. Er, ein gebürtiger Essener, der in Bochum Jura studiert hatte und sich als Sympathisant der 68er-Bewegung sah, tat sich schwer mit dem, was damals gemeinhin als „spätkapitalistische Klassenjustiz“ gebrandmarkt wurde. So trug er demonstrativ einen anthrazitfarbenen Wollpullover mit V-Ausschnitt statt Anzug – und wurde prompt von einem Häftling gefragt: „Sag mal, wie kommst du denn an den Schlüssel?“
Lang ist’s her. Seitdem hat er viele Schwerstverbrecher kommen und gehen gesehen, hat sie kennen und manche auch fürchten gelernt. „Es gibt Leute, die können auch mit jahrelangen Therapien nicht erreicht werden. Ich meine jene, die unter einer schweren Form von dissozialem Syndrom leiden, die ihre spontane Bedürfnis-Befriedigung ausleben – notfalls mit Gewalt“, sagt der 63-Jährige.
„Ungutes Gefühl“ bei Entlassung von Sicherungsverwahrten
Auch er musste nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs mehrere Sicherungsverwahrte freilassen, 15 insgesamt in einem halben Jahr, weil sie zu Unrecht noch festgehalten wurden. Bei drei von ihnen hatte Skirl, hatten auch seine Kollegen ein „ungutes Gefühl“ und sollten, weil sie tatsächlich rückfällig wurden, recht behalten. Dennoch betont auch Skirl, neueste Studien belegten, dass nur wenige als gefährlich eingeschätzte SVler tatsächlich wieder straffällig würden.
„Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs war ein Weckruf, der bitter nötig war. Bis dahin wurden Menschen, die ihre Strafe bereits verbüßt hatten, unter den gleichen Bedingungen festgehalten wie normale Häftlinge“, sagt Michael Skirl. Nun wird die Sicherungsverwahrung reformiert, wird auch in Werl ein besonderes Haus für die Betroffenen gebaut. Ein Haus mit 140 Plätzen, mit 20 Quadratmeter großen Zellen und extra Bädern. Mit mehr Freiräumen also und intensiverer Therapie. 2017 soll es eröffnet werden.
Michael Skirl jedoch wird sich bis dahin weit entfernt haben von Werl, von den schweren Jungs, den hohen Gefängnismauern. Räumlich wie gedanklich. Vermutlich wird er in seinem Haus in Südfrankreich sitzen und notieren, was er dort so alles erlebt. Etwa diese nette, kleine Geschichte kürzlich, beim Kauf eines alten Renaults, eines R 4. Diese Szenerie im Département Ardèche, das alte Ehepaar, dem der Wagen gehörte … Wie gemacht für den Einstieg eines Romans. Für einen Krimi! Denn was sonst könnte ein früherer Gefängnis-Direktor schreiben.