Neue Sicherheitsvorschriften für Paternoster sorgen für Frust auch in NRW. Viele Umlaufaufzüge stehen seit Montag still. Ministerium prüft Auswege.
An Rhein und Ruhr.
„Auf vielen Autobahnen in Deutschland kann man ohne Tempolimit rasen, aber ausgerechnet bei Paternostern gelten dort jetzt harte Restriktionen“: Die neuen Sicherheitsbestimmungen für Paternoster in Deutschland sorgen selbst in den USA für Spott, wie ein Bericht der Washington Post zeigt. Dass die altmodischen Umlaufaufzüge künftig nur noch den jeweiligen Beschäftigen im Hause offen stehen und sie gar eine Art Paternoster-Führerschein machen sollen? Klingt kurios. Und hat viele Paternoster in eine Zwangspause versetzt.
„Der ganze Vorgang ist eigentlich völlig überflüssig. Ich kann nicht verstehen, wie solche Unsinnsverordnungen erlassen werden können“, wettert Oberhausens Erster Beigeordnete Apostolos Tsalastras gegen die Paternoster-Verordnung aus Berlin. Alle vier städtischen Paternoster in Oberhausen stehen vorerst still.
In Düsseldorf darf sogar die Polizei ihren Paternoster nicht benutzen, der seit den 1930er-Jahren in Betrieb ist. „Unsere Verwaltung prüft, was getan werden muss, damit die Mitarbeiter den Paternoster wieder nutzen dürfen“, sagt ein Behördensprecher. Auch der Paternoster im Deutschlandhaus in Essen steht bis auf Weiteres still. Aus Sorge vor juristischen Problemen, teilt die Gebäudeverwaltung mit. Man suche jedoch mit der Stadt Essen eine Lösung für den Weiterbetrieb.
Paternoster steht still, Rathausbedienstete müssen Treppen laufen
In Duisburg müssen Stadtbeschäftigte nun Treppen steigen oder auf den Aufzug ausweichen. Der Paternoster sei so schön bequem für das rasche Pendeln zwischen den Etagen, sagt ein Stadtsprecher. Die Verwaltung strebe nun eine „pragmatische und kurzfristige Lösung“ für den Weiterbetrieb an. Mitarbeiter im Bereich Arbeitssicherheit prüften, wie sich die seit Montag geltende bundesweite Sicherheitsvorschrift in Duisburg umsetzen lässt. Es könnte darauf hinauslaufen, dass Besucher die Paternoster künftig nicht mehr nutzen dürften, meint der Stadtsprecher.
„So schwer ist ein Paternoster ja nicht zu bedienen“, meint dazu ein Sprecher im NRW-Bauministerium in Düsseldorf, vis-à-vis vom dortigen Polizeipräsidium. Die gut 300 Bediensteten im Hause von Bauminister Michael Groschek dürfen nach wie vor in ihren Paternoster springen, der wie nebenan im Polizeipräsidum seit den 1930er-Jahren seine Runden dreht. „Wir sind alle eingewiesen worden“, behauptet ein Sprecher – in die Paternoster-Benutzung. Per Rundmail, sagt er. Ganz schön unbürokratisch…
Nur Profis im Paternoster? NRW-Ministerium strebt Wiederfreigabe für alle an
Auch in den öffentlichen Gebäuden sollen die Paternostern wieder in Betrieb gesetzt werden dürfen, plant man im zuständigen NRW-Arbeitsministerium. Wann? Das sei nicht abzusehen. „Wir loten alles möglich aus“, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. Unklar sei beispielsweise, was eigentlich unter „Einweisung“ in die Benutzung genau zu verstehen sei. Im Bundesarbeitsministerium erklärt man dazu, der Arbeitgeber (als Paternosterbetreiber) „muss dem Beschäftigten eine schriftliche Betriebsanweisung zur Verfügung stellen“. Wie umfangreich die sei, könne der Arbeitgeber entscheiden.
Im NRW-Arbeitsministerium prüfe man nun „massig Möglichkeiten“, wie man den neuen Sicherheitsvorschriften Genüge leisten könnte, sagt eine Ministeriumssprecherin. Zudem strebe man parallel über eine Bundesratsinitiative an, dass Paternoster in öffentlichen Gebäuden in NRW auch den Bürgern wieder offen stehen. Indem man Paternoster in punkto Sicherheit nachrüste, etwa mit Piktogrammen vor und in den Paternoster-Kabinen. Sogar über „Ampeln“ für Zu- und Austritt werde nachgedacht; so wie die Einfädelhilfen an der A40…
Bundesländer sollen Paternoster-Einschränkungen selbst regeln
Laut einer Übersicht auf der Online-Enzyklopädie Wikipedia gibt es in NRW gut 50 Paternoster. Einige etwa in Häusern der Kaufhauskette Kaufhof. Dort heißt es, sie fahren weiterhin, „weil sie nur Mitarbeitern zugänglich sind“. Und weil das Rein- und Rausspringen in und aus den Paternoster-Kabinen Teil der „allgemeinen Sicherheitsunterweisungen“ für die Beschäftigten sei. In der Knappschaftszentrale in Bochum dreht der Paternoster seit 1952 ebenfalls wie gehabt seine Runden. „Ohne Unfall“, versichert die stellvertretende Sprecherin Claudia Müller. Sie wundert sich über die neuen Sicherheitsvorschriften und fragt: „Was wollen Sie denn da schulen?“
Vom Wirbel um die Paternoster hat auch die verantwortliche Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) Wind bekommen. Und kündigte jüngst an, die Vorschriften aus ihrem Hause zu mildern, die im Übrigen eine Idee aus den Bundesländern gewesen ist, heißt es. Wohl weil ihr die Sache zuviel Wind macht: „Der Paternoster ist der VW Käfer unter den Aufzügen“, teilte Nahles auf Ihrer Facebookseite mit. „Wir wollen (diese Aufzüge) nicht missen“, versichert die Ministerin. Sie wolle daher nun die Bundesländer ermächtigen, „die Beschränkungen aufzuheben“ – das nennt man wohl Herunterdelegieren. Bis der Behördenmotor ins Rotieren und zum Ergebnis kommt, brauche es jedoch „ein bisschen Geduld“, schreibt Nahles. In ihrem Ministerium ergänzt dazu eine Sprecherin auf Anfrage: Die entsprechende Änderung der Betriebssicherheitsverordnung solle „noch in diesem Jahr“ umgesetzt werden.
Für Paternoster-Nutzer und -Fans bedeutet das jedoch: „Die Einschränkung für den Publikumsverkehr gilt solange weiter“.