Mona Neubaur will zurück in die Landesregierung! Nach fünf Jahren in der Opposition weiß die Grünen-Spitzenkandidatin, dass sie und ihre Partei eine wichtige Rolle bei der NRW-Wahl 2022 und der künftigen Regierungsbildung spielen.
Im ersten Teil des Exklusiv-Interviews mit DER WESTEN verrät Mona Neubaur, wie sie den allgemeinen Fachkräftemangel kurzfristig beheben will, warum Finanzspritzen wegen der hohen Energiekosten das richtige Instrument sind und wie hochverschuldete Kommunen entlastet werden sollen.
DER WESTEN: Frau Neubaur, Sie sagen von sich selbst, dass Sie 1997 in NRW zuhause geworden sind. Auch als Rheinländerin wissen Sie, dass die A40 das Ruhrgebiet in Arm und Reich unterteilen soll. Wo liegt für Sie der Schlüssel, dass die Herkunft eines Menschen weniger über dessen Zukunft in NRW entscheidet?
Mona Neubaur: Es darf nicht sein, dass es abhängig vom Geldbeutel der Eltern oder der Postleitzahl des Wohnortes ist, ob ich als Erwachsener ein glücklicher Mensch werde. Dafür müssen wir die Verteilung der Bildungsausgaben ändern. Es muss mehr Geld in die Schulen fließen, in denen die sozialen Ungerechtigkeiten am größten sind. Das Geld ist einerseits für die Ausstattung der Schulen nötig, aber auch, um Lehrkräfte und multi-professionelle Teams bezahlen, also um geschulte sozialpädagogische Arbeit anbieten zu können.
In NRW haben wir aber einen großen Fachkräftemangel. Wie wollen Sie dem begegnen? Wie wollen Sie dafür sorgen, dass es diese besonderen Kräfte an Schulen gibt?
Wir brauchen dringend mehr Lehrkräfte an den Schulen, wir brauchen mehr Erzieher, wir brauchen von allem mehr. Wir erkennen aber die Realität an. Unser Vorschlag ist, dass wir kurzfristig zusätzliche Verwaltungskräfte an die Schulen holen, damit die Lehrer von Verwaltungstätigkeiten entlastet werden und sich stärker auf das konzentrieren können, wofür sie da sind, nämlich mit den Schülern zu arbeiten.
Das Problem der fehlenden Lehrkräfte müssen wir aber mittelfristig lösen. Wenn wir als Gesellschaft sagen: ‚Sozialer Status ist weiterhin mit einem akademischen Abschluss verbunden‘, wird es uns nicht gelingen, junge Menschen auch für Ausbildungsberufe zu begeistern. Wir müssen unsere berufliche Bildung stärken, weil sie Teil eines guten Grundstocks ist, um den man uns weltweit beneidet. Es geht darum, die Schulen für die Betriebe zu öffnen, damit sie zeigen können, was in ihren Ausbildungen eigentlich stattfindet.“
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Das ist NRW-Grünen-Chefin Mona Neubaur:
- geboren am 1. Juli 1977 in Pöttmes (Bayern)
- lebt seit 1997 in NRW, ist u.a. Mitglied bei Fortuna Düsseldorf und der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf
- hat 2003 den Abschluss als Diplom-Pädagogin in Psychologie, Erziehungswissenschaften und Soziologie erlangt
- war von 2010 bis 2014 Geschäftsführerin der Heinrich-Böll-Stiftung NRW
- seit 2014 Landesvorsitzende der NRW-Grünen, Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2022
- Schwerpunkte: Umwelt-, Energie-, Verkehrspolitik sowie Klimaschutz und Demokratie
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Wie sehen Sie das Fachkräfteproblem in den Pflege- und Krankenhausberufen?
Der Fachkräftemangel in den Gesundheitsberufen ist ein Problem – und es wird potenziell größer. Um das zu beheben, müssen die Arbeitsbedingungen grundlegend besser werden. Das hat natürlich etwas mit dem Gehalt zu tun. Aber es geht auch darum, die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern zu verbessern. Das fängt beim Hausmeister an und geht bis zur Anästhesistin.
Wir müssen außerdem dafür sorgen, dass die Ausbildungsperspektiven in den Berufen besser werden. Das will ich auch explizit für den Hebammenberuf erwähnen. Aktuell ist es so, dass die Geburtshilfe in NRW nicht zur Grundversorgung gezählt wird. Wenn der nächste Kreißsaal aber 40 Autominuten weit entfernt ist, ist das für schwangere Frauen extrem belastend. Was wir deshalb brauchen, ist eine kluge Planung von medizinischer Versorgung, die als Daseinsvorsorge begriffen wird.
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Klimawandel, Pandemie, Ukraine-Krieg. Globale Krisen überschatten gerade viele wichtige Diskussionen. Lösen da Einmalzahlungen wie Corona-Boni oder Finanzspritzen für Eltern und Autofahrer wirklich die Probleme?
Krisen treffen die Schwächsten immer am härtesten. Deshalb ist es aus meiner Sicht der richtige Weg, die Bürgerinnen und Bürger gezielt zu entlasten. Das gilt gerade jetzt mit Blick auf wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland. Die können nur wirken, wenn wir sie lange durchhalten.
Der alleinerziehenden Pflegerin, deren Miete steigt und die eine hohe Gasnachzahlung stemmen muss, gleichzeitig aber kein Auto besitzt, profitiert nicht von der Idee des Tankrabatts. Daher ist das Energiegeld hier der richtige Ansatz. Also die Idee, für die Gesamtsteigerung der Lebenshaltungskosten eine Entlastung zu bieten. Zielgenau und pro Kopf ausgezahlt, statt mit der Gießkanne.
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Wäre es keine Option, jetzt mehr in den ÖPNV zu investieren?
Doch, genau das muss jetzt passieren. Bus und Bahn sind in den vergangenen Jahren massiv vernachlässigt worden. Um diesen Investitionsstau aufzulösen, müssen wir aber auch bei den Kommunen ansetzen, weil die es letztlich umsetzen müssen. Das heißt, es braucht einen Altschulden-Fonds, um die Kommunen zu entlasten, ihnen wieder Luft zum Atmen zu geben und sie handlungsfähig zu machen.