Jahr um Jahr ist die Nachfrage nach Kita-Plätzen in NRW groß, doch das Angebot kommt nicht hinterher. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung ist der Mangel in NRW bundesweit am größten. Mehr als 100.000 Kita-Plätze würden dem bevölkerungsreichsten Bundesland 2023 fehlen.
Viele Mütter suchen deshalb oftmals schon nach einer passenden Kindertagesstätte, während sie noch schwanger sind. Hinzu kommt, dass den Institutionen einfach das Personal fehlt. Klaus Bremen, Vorsitzender des Deutschen Kitaverbandes (DKV) NRW, betonte gegenüber DER WESTEN, dass das Problem selbst durch neue Fachkräfte noch nicht behoben sei. Die Wurzeln des Übels lägen viel tiefer.
NRW: Düstere Lage in Kitas – Personalnot und mangelnde Kitaplätze
Seit 2013 gilt der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, für Kinder ab drei Jahren besteht er schon seit 1996. Gewährleisten können diesen Anspruch die Institutionen laut Experten 2023 jedoch vielerorts nicht. Für die Betreuung der Kinder fehle einfach das Personal. „Vor allem die Eltern sind verunsichert, ob sie überhaupt noch auf eine verlässliche Betreuung bauen können. Der Deutsche Kitaverband hört aus Gemeinden, dass Kitas ihr Betreuungsangebot zurückfahren und die Öffnungs- und Betreuungszeiten einschränken wollen, weil das Personal fehlt“, schildert DKV-Sprecher Klaus Bremen die aktuelle Situation in den Kitas.
Die größten Baustellen seien weiterhin die Akquise von neuen Erzieherinnen und Erziehern sowie der Kitaausbau. Bremen hält zunächst fest, dass sich in den letzten zehn Jahren die Zahl der Kitas deutlich erhöht hätte: von 9381 Kitas im Jahr 2012 auf 10.586 Kitas im Jahr 2021. Zudem würden rund ein Drittel mehr Menschen als Erzieher arbeiten als 2012. Während damals nur rund 94.000 Mitarbeiter in Kinderbetreuungsstätten gearbeitet hätten, sei die Anzahl nun auf etwa 131.000 gestiegen.
Zuletzt stagnierte der Ausbau jedoch wieder. Laut einer neuen Studie der TU Dortmund wurden 2021/22 weniger Kindertageseinrichtungen ausgebaut als in den Vorjahren. Während das Kindergartenjahr 2019/20 einen Höhepunkt von 251 neuen Einrichtungen erreichte, wurden 2021/22 gerade einmal 121 zusätzliche Einrichtungen geschaffen. Auch in der Kindertagespflege ging der Zuwachs zurück. Jugendamtsbezirke sprachen von „wachsenden Hürden im Ausbauprozess“ als Ursache.
Für den Sprecher des Kitaverbandes NRW liegt das Problem bei den veralteten Entscheidungsstrukturen: „Die Leit-Entscheidungen über die Kita-Versorgung erfolgen bis heute weitgehend hinter geschlossenen Türen: Kommunen und Land handeln die Einzelheiten von Kita-Ausbau und Kita-Betrieb mit den Kirchen und den großen Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege aus. Was da genau besprochen und entschieden wird, ist ganz eindeutig zu wenig transparent.“ Das passe nicht mit den aktuellen Anforderungen einer modernen frühkindlichen Bildung zusammen. Bremen nimmt den Landtag in die Pflicht für eine deutliche Richtungsänderung in der Kita-Politik zu sorgen. Der Deutsche Kitaverband fordert mehr Mitspracherecht der Eltern und Kindergarten-Leitungen bei der Versorgung der Kinder.
Sprecher von Kitaverband NRW spricht Klartext
Gegenüber dem „WDR 5 Morgenecho“ sagte Familienministern Josefine Paul (Die Grünen) am Donnerstag (26. Januar): „Ich glaube wir nehmen in letzter Zeit noch mal viel deutlicher wahr, als Zahlen uns das schon immer gesagt haben, dass der Fachkräftemangel eine der zentralen Herausforderungen in ganz vielen Bereichen ist. Dementsprechend muss es jetzt darum gehen, wirklich das in den Blick zu nehmen, was zu Teilen auch in den letzten Jahren und Jahrzehnten vielleicht nicht so mit oberster Priorität zur Sprache gekommen ist.“ Der Kitaverband will jedoch konkretere Aussagen, wann und wie der Fachkräftemangel in NRW in den Griff bekommen werden soll. „Es braucht jetzt politische Führung durch die zuständige Ministerin Paul und mutige Schritte – nicht trippeln“, wird Bremen deutlich.
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Die Landtagsfraktion von CDU und Grünen schlug am Donnerstag acht Maßnahmen für eine Fachkräfteoffensive vor. Daraus geht hervor, dass sich Kitaverband und die Politiker zumindest schon mal in einem Punkt einig sind: es benötigt sowohl lange- als auch kurzfristige Lösungen. Um eine schnelle Entlastung herbeizuführen, sollen zum Beispiel Assistenten die Erzieher bei Verwaltungstätigkeiten unterstützen. Außerdem soll es Quereinsteigern leichter möglich gemacht werden, in den Erzieherjob zu wechseln. Auch ausländische Berufsabschlüsse sollen schneller anerkannt werden. Nach einer Abstimmung aller anwesenden Parteien wurde der Antrag angenommen. Der Deutsche Kitaverband NRW erachtet die Maßnahmen als sinnvoll, befürchtet jedoch, dass sie nicht ausreichend sein werden.