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Ukraine: Klitschkos Ex-Frau Natalia Yegorova deutlich – „Ich erlaube es mir, normal zu leben“

Natalia Yegorova ist DIE Stimme der Ukraine. Seit dem Angriff Russlands auf sein Nachbarland, hilft sie Menschen, die keine Stimme haben.

Ukraine
Natalia Klitschko bei der Kundgebung und dem Friedenskonzert Sound Of Peace gegen den Krieg in der Ukraine am Brandenburger Tor. Foto: IMAGO / Future Image

Sie ist die Stimme der Ukraine. Seit dem Beginn des schrecklichen Überfalls Russlands auf die Ukraine im Februar diesen Jahres, versucht Natalia Yegorova den Menschen eine Stimme zu geben, die sich selbst nicht helfen können. Die Frau, die viele Jahre lang mit Box-Legende und Kiew-Bürgermeister Vitali Klitschko verheiratet war, spricht auf großen Bühnen, hilft im Kleinen und betreut Projekte, die ihr wichtig sind. So auch beim „KiKA-Award“, der am 18. November in Erfurt verliehen wird.

Dort wird Natalia Yegorova den „KiKA-Award-Spezial“ überreichen, der in diesem Jahr im Zeichen der Ukraine-Hilfe steht. Wir haben vorab mit Natalia über den Krieg in ihrem Heimatland, den Einfluss der Tragödie auf Kinder und ihre Arbeit gesprochen.

Liebe Frau Yegorova, Sie sind die Patin für den „Kika Award Spezial: Ukraine Hilfe“. Was hat Sie bewegt, bei dieser Aktion mitzumachen?

Ich finde es faszinierend, wie sich Kinder in solch kritischen Situationen einbringen. Es ist beeindruckend, welche Projekte Kinder ins Leben gerufen haben, um anderen Kindern, die aus der Ukraine nach Deutschland gekommen sind, aber auch Kindern, die noch in der Ukraine sind, zu helfen. Das hat mich motiviert, dabei zu sein. Es ist unsere Aufgabe, sie dabei zu unterstützen. Der Kika Award ist dabei eine tolle Plattform, um diese Ideen öffentlich zu machen und ihnen auch die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

Nun ist es so, dass Kinder, die in Europa geboren sind, bis zum Ukraine-Krieg glücklicherweise nie mit diesem Schrecken konfrontiert wurden. Wie vermittelt man ihnen eine solche Situation?

Da müssen wir zwischen den Kindern in Deutschland und in der Ukraine unterscheiden. In der Ukraine müssen die Kinder täglich den Krieg sehen und erleben. Sie passen sich an. Sie wissen ganz genau, was Krieg ist. Ich kann das so sagen, weil mein älterer Neffe noch in der Ukraine nahe Kiew ist. Er hat eine sechsjährige Tochter. Sie sieht, wie ihre Mama die Fenster zuklebt, damit Bombensplitter nicht in die Wohnung schlagen. Sie hilft sogar dabei, die Fenster mit Tesa-Tape abzukleben.

Meine Mama, also ihre Uroma, lebt bei mir in Deutschland und es ist schrecklich zu hören, wenn das Enkelkind am Telefon erzählt: ‚Mach dir keine Sorgen, Oma. Ich weiß genau, was ich machen muss, wenn die Bomben fliegen. Ich muss mich auf die Erde schmeißen und ganz doll meinen Kopf zudecken und die Ohren zudrücken.‘ Das ist die Realität für die Kinder in der Ukraine. Das ist schrecklich, aber gleichzeitig können sie es auch abschalten. Sobald die Sirenen nicht mehr heulen, sind sie wieder Kinder. Sie spielen, sie lachen, sie freuen sich.

Zu den Kindern in Deutschland. Ich glaube, es darf nicht unsere Aufgabe sein, ihnen den Schrecken zu vermitteln. Wir müssen sie immer wieder daran erinnern, wie toll ihr Leben ist und wie dankbar sie dafür sein können. Wir müssen ihnen beibringen, nicht wegzuschauen, und immer bereit zu sein, zu helfen. Egal ob es sich um Kinder in der Ukraine handelt oder die eigenen Nachbarn. Sie sollen ihnen immer mit Liebe begegnen und nie mit Hass.

Sie sprachen gerade schon die Projekte im Rahmen des Kika-Awards an. Wie können Kinder in einer solchen Lage helfen?

Da gibt es ganz viele Möglichkeiten. Ein Projekt ist zum Beispiel ein Spendenlauf in einer Schule. Andere Kinder nähen Trostmonster. Kleine Plüschtiere, die sie traumatisierten Kinder als Symbol dafür, dass sie nicht allein sind, schenken. Dann gab es noch ein Mädchen, dass Ukrainisch spricht und in Schulen bei der Übersetzung hilft. Das finde ich toll.

Das sind Momente, die in diesen Zeiten Hoffnung schenken. Was macht Sie ganz persönlich glücklich?

Mich macht es glücklich, wenn ich ein Projekt unterstützen, wenn ich ukrainischen Frauen und Kindern meine Zeit schenken kann. Es ist wichtig für sie, dass sie wissen, dass sie gehört werden und ich ihre Sorgen weiter nach vorne tragen kann. Ich fühle mich dadurch nützlich. Ich kann keine Waffen liefern, aber ich kann meine Zeit und meine Aufmerksamkeit schenken.

Sie haben auch einen Song für die Ukraine geschrieben.

Ja, ich habe zu Anfang des Krieges ein Lied für die Ukraine aufgenommen (Anm. d. Red.: „Better Day“). Ich habe gehört, dass viele Menschen dieses Lied berührt hat, es hat Emotionen geweckt. Das macht mich glücklich. Und natürlich, wenn das Lied dann auch noch Geld generiert, ist das noch besser. Denn jeder Cent geht an die Initiative „We are all Ukrainians“, die mein Schwager ins Leben gerufen hat. Das ist mein kleiner Einsatz. Wissen Sie, es ist mir egal, wenn manche kritisieren: ‚Die hat mehr Möglichkeiten, weil sie Geld hat.‘ Nein, es geht nicht um Geld. Es geht um meine Zeit. Ich schenke meine Zeit und mein Leben. Ich bin seit neun Monaten nur unterwegs. Ich habe diese – ich mag das Wort nicht – Prominenz. Ich bin nicht prominent, ich bin einfach ein Mensch, der vielleicht mehr Bekanntheit hat und mehr Möglichkeiten hat, vorne zu stehen und zu berichten. Das ist meine Pflicht und mein Glück.

Natalia Klitschko
Natalia Yegorova beim Friedenskonzert in Berlin. Foto: IMAGO / Future Image

Sie wirken auf mich wie eine absolute Powerfrau, die sich von nichts und niemanden unterkriegen lässt. Gibt es bei Ihnen auch Momente, in denen Sie nicht mehr können?

Ich weiß nicht, ob ich eine Powerfrau bin. Aber ja, natürlich gibt es auch Tage, wo ich einfach ‚nur‘ eine Frau bin. An denen ich mit meinen Emotionen kämpfen muss, oder schlechte Nachrichten bekommen habe. Manchmal fühle ich auch, dass ich keine Kraft oder keine Zeit mehr für meine eigenen Kinder habe. Aber mir reichen dann ein, zwei Tage, in denen ich mich komplett rausziehe.

Dann gehe ich spazieren, mache Sport oder meditiere. Zuletzt war ich drei Tage bei meiner Tochter in Amsterdam. Sie hat dort angefangen zu studieren. In dieser Zeit war ich nicht auf Social-Media unterwegs. Da haben die ersten Leute schon geschrieben und gefragt, ob alles okay sei. Aber das war einfach wichtig für mich. Ich wollte Zeit mit meinem Kind verbringen.

Gibt es etwas, das Ihnen Hoffnung spendet, dass der Krieg in naher Zukunft ein Ende nimmt?

Mir macht es Hoffnung, wenn ich sehe, wie europäische Länder sich einsetzen und sich überlegen, wie die Ukraine noch unterstützt werden kann. Natürlich können wir allein weiterkämpfen, aber zusammen wird es leichter. Ich kenne keine Lösung. Das Einzige, was ich weiß: Wir müssen uns zusammentun, sonst wird dieser Krieg noch sehr lange dauern. Und je länger der Krieg dauert, desto mehr unschuldige Menschen werden ihr Leben verlieren. Das macht mich traurig. Ich wünsche mir, dass es einen Zauber gäbe und morgen wäre kein Krieg mehr. Aber den gibt es nicht. Ich hoffe sehr, dass kommende Generationen daraus lernen und alles versuchen werden, in Zukunft Kriege zu verhindern. Denn dafür ist das Leben viel zu schön.

Vitali ist immer noch in Kiew. Halten Sie Kontakt zu ihm?

Natürlich habe ich noch Kontakt zu meinem Ex-Mann. Die meisten Informationen bekomme ich aber von meinen Kindern, sie sind ständig im Austausch mit Papa. Natürlich mache ich mir auch Sorgen und wenn sie zu groß werden, schreibe ich ihm und frage, wie es ihm geht. Er antwortet mir dann natürlich auch.

Wie gehen Sie mit den Sorgen um ihn, aber auch um andere Freunde und Verwandte, die noch in der Ukraine sind, um?

Ich versuche, das wegzuschieben. Manchmal hilft es mir, wenn ich die Stimmen meiner Freunde oder Verwandten hören, die sagen: ‚Ach, alles gut, wir leben weiter.‘ Sie versuchen ihr Leben so normal wie es geht weiterzuführen. Und das beruhigt mich. Wenn sie in der Situation klarkommen, dann ist das okay. Ich habe auch von vielen gehört, dass sie aus dem Ausland immer mal wieder in die Ukraine zurückkehren. Ich würde da schon Angst haben. Du weißt nie, wann der nächste Angriff sein wird. Aber ich verstehe auch, wenn sie zurückkehren. Sie vermissen ihr Heimatland. Das ist ein Phänomen des Menschen. Er kann sich anpassen. Meine Freundin hat mir beispielsweise erzählt, dass sie an einem Tag bombardiert wurde und am nächsten Tag ganz normal wieder zur Arbeit gegangen ist. Genauso mit der Versorgung: Sie geht einkaufen oder Sport machen, wenn gerade Elektrizität da ist. Sie ist für mich eine Heldin.

In Deutschland wird seit Monaten immer mehr über steigende Energiepreise angesichts des Krieges diskutiert. Wie nehmen Sie das wahr?

Die Deutschen hatten nie richtige Sorgen. Nicht nur die Deutschen, alle europäischen Länder. Man kann sich nicht in eine Kriegssituation hineinversetzen. Man kann sie nur einmal erleben. Ich bin ein Kind der Sowjetunion. Wir haben damals nichts gehabt. Die Geschäfte waren leer. Selbst mit Geld konnte man nichts kaufen. Daran denke ich oft zurück. Und wir denken, dass wir hier schlecht leben. Wir sollten jeden Tag genießen. Ich habe noch nie so viel Dankbarkeit für das Leben gespürt, wie seit Beginn des Krieges. Wir sollten nicht über jede Kleinigkeit klagen, uns mit Neid und Hass begegnen. Das kotzt mich an. Wir haben Sicherheit und Frieden und können alles schaffen, nur mit ein bisschen Fleiß.

Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Zeit und dieses Gespräch.

Ich danke Ihnen. Es ist ganz wichtig, dass wir weiterhin die Aufmerksamkeit hochhalten. Sie geht langsam runter und das ist menschlich. Man kann nicht monatelang im Kriegszustand leben, wenn du nicht im Krieg bist. Sogar für mich. Ich bin auch ein Mensch und erlaube mir normal zu leben, auch wenn es im Hinterkopf immer rattert, das kann man nicht komplett abschalten. Der Krieg ist einfach zu nah. Man denkt, die Ukraine ist weit weg, aber das ist sie nicht. Es sind nur 2.20 Stunden Flug. Das ist gar nichts.


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Der „KiKa-Award“ wird am Freitag, den 18. November 2022 ab 19.30 Uhr live bei KiKa ausgestrahlt. Hier kannst du für die besten Projekte abstimmen.