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Wie der Biobäcker Back Bord für die Zukunft plant

Wie der Biobäcker Back Bord für die Zukunft plant

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Foto: Funke Foto Services
Mit eigener Mühle und offener Stube hat der Biobäcker Andreas Scherpel Pionierarbeit geleistet. Auch die Nachfolge seiner Firma Back Bord ist geklärt.

Wattenscheid. 

Ein quaderförmiger Sauerteiglappen nach dem andern rollt an, jede verfügbare Hand am Band schnappt sich je zwei davon und knetet daraus einen ziemlich großen runden Laib, der zwei Stunden später als knuspriger „Meister Jupp“ aus dem Ofen laufen wird. Die Bäcker bearbeiten beidhändig je 2,5 Kilo Teig, „wer hier arbeitet, braucht kein Fitnessstudio“, sagt einer zu dem staunenden Dutzend Besucher. Jedes der täglich 15.000 gebackenen Brote geht durch eine dieser starken Hände.

Sie stehen in Kitteln und mit benetzten Haaren im Herzen der Bio-Mühlenbäckerei Back Bord im Herzen des Ruhrgebiets. Der Blick durch die gläserne Fabrikwand geht zur Zeche Holland – gen Osten. Wenn morgens hinterm Förderturm die Sonne aufgeht, begrüßt sie auch die Frühschicht beim Pionier unter den hiesigen Biobäckern.

„Meine Bäcker-Kollegen haben mich damals belächelt“

„Wir sind eine offene Bäckerei, ein Handwerksbetrieb, jeder kann reingucken. Eine dieser dunklen Backstuben ohne Tageslicht kam für mich nie infrage“, sagt Andreas Scherpel. Er hat 1991, als „Bio“ für viele noch einen ideologischen Beigeschmack trug, jene Bäckerei gegründet, die heute eine der größten ihrer Art ist. „Meine Bäcker-Kollegen haben mich damals belächelt“, erzählt Scherpel, „es gab damals noch keinen Markt für Bioprodukte.“ Und weder der Essener Norden, wo Scherpel begann, noch der Gewerbepark „Holland“ in Wattenscheid galten als Hochburg der Öko-Szene. Ein knappes Vierteljahrhundert später verkauft Back Bord seine Brote, Kuchen und Quiches im gesamten Ruhrgebiet und in weiten Teilen des Rheinlands – in 14 eigenen Filialen sowie über Biomärkte, Reformhäuser und die Kette Malzer’s, die der Bruder Jochen Scherpel betreibt.

Aus dem ganzen Ruhrgebiet und sogar dem Sauerland kommen auch die Leserinen und Leser, denen Scherpel an diesem Tag seinen Betrieb zeigt. Sie schauen, riechen, fühlen – und fragen. Wo kommt das Korn her? Wie lange muss der Teig gehen, wie lange backen? Wie sind Ihre Arbeitszeiten? „Aus kontrolliert ökologischem Biolandbau“ — „mindestens eine Nacht“ – „eindreiviertel Stunden bei 250 Grad“ und „rund um die Uhr“ lauten die Antworten.

Großbäckerei mit eigener Mühle

Grundlage für alle Produkte ist das selbst gemahlene Mehl. Mit der eigenen Mühle hat sich Back Bord ein markantes, 80 Meter hohes Alleinstellungsmerkmal geschaffen. Bevor ein Silozug seine 25 Tonnen Weizen, Roggen oder Dinkel abladen darf, wird das Korn im Labor auf Schädlinge und Qualität untersucht. In der Mühle zieht ein Magnet Metallteile raus, werden kleinste Steinchen ausgesiebt und schließlich das Getreide in allen Stärken vom groben Vollkorn- bis feinstem Keksmehl gemahlen. Alles vollautomatisch.

Die Handarbeit beginnt beim Teig. Dutzende Bottiche stehen in der Backstube, mal riecht es leicht säuerlich, mal duftet es nach Anis und Fenchel (fürs Gewürzbrot). In Kühlkammern kommt der Teig zur Ruhe. Der für die morgigen Brötchen ist fertig. Einzeln werden die Teiglinge für die Filialen geformt, die sie selbst aufbacken. Der Star der Technik ist freilich der riesige Ofen, der bis unter die Decke reicht. In ihm verschwindet ein „Meister Jupp“ nach dem andern.

Das Bäckerhandwerk stirbt aus

Mehrfach fällt später das Wort „Wertschätzung“. Eine Dame hat sich seit Jahren gewünscht, mal hier reinschnuppern zu dürfen. „Sie müssten das viel öfter machen, damit die Leute sehen, welche Arbeit dahinter steckt“, ruft sie Scherpel zu, das Handwerk müsse sich zeigen, wenn es weiter geschätzt werden wolle.

Scherpel weiß um die Probleme seines Berufsstands. 50 Bäcker und 15 Konditoren beschäftigt er, mit den Kollegen im Büro und im Fuhrpark verdienen rund 250 Menschen ihre Brötchen bei ihm. Doch Nachwuchs für die Backstube zu finden, wird immer schwieriger, „Viele kleine Betriebe schließen, das Bäckerhandwerk stirbt aus“, sagt der Bio-Pionier.

Für seine eigene Nachfolge ist freilich gesorgt: Tochter Isis steigt im Oktober ins Unternehmen ein, soll es später übernehmen. Die Bäckermeisterin und Wirtschaftswissenschaftlerin will die Tradition, aber auch den unternehmerischen Erfolg fortsetzen. Zu Umsätzen sagt Vater Andreas nur, dass er seit 1991 jedes Jahr gewachsen sei. Der neue Anbau weist die Richtung.