Auf dem Hof der Familie Strunk im Bochumer Süden steht ein Sohn von Wunderhengst Totilas. Ob er irgendwann in der Zukunft für viel Geld verkauft werden kann, ist nicht klar. Denn die Branche steckt mitten in der Krise.
Bochum.
Der etwas abgelegene Hof der Familie Strunk im Bochumer Süden ist nicht gerade ein Ort, an dem man den Sohn eines millionenschweren Stars vermuten würde. Und schon gar nicht hier, in unmittelbarer Nähe zu ein paar mähenden Ziegen und einem Strohtisch mit bunter Decke, an dem bei besserem Wetter Kindergeburtstage gefeiert werden.
Zehn Millionen Euro für Totilas
Trotzdem steht es hier in seinem Stall, ein noch namenloses zweijähriges Pferd, eines der vielen Kinder von Wunderhengst Totilas, für den Dressur-Europameister Paul Schockemöhle über zehn Millionen Euro auf den Tisch legte. Mehrere Tausend Euro kostete der Samen des Rekordhengstes, mit dem das Pferd auf Strunks Hof gezeugt wurde. Doch der Totilas-Hype ist ein Sonderfall. Die deutsche Pferdezucht steckt in der Krise.
Wilhelm Strunk weiß das nur allzu gut. Seit 40 Jahren züchtet er, zusammen mit seiner Frau und seinem Bruder, auf dem Hof der Familie in Bochum Pferde. Seine besten Tiere hat er in die ganze Welt verkauft. Brasilien, Dänemark, USA. Die von ihm gezüchtete Stute Bella Rose wird von Olympiasiegerin Isabell Werth geritten und könnte 2016 bei den olympischen Spielen antreten. Trotz der Erfolge hat Strunk seinen Zuchtbestand Ende 2011 auf einer Auktion fast komplett verkauft, nur die vier besten Stuten behielt er.
Strunks Sohn Nico, der damals den Hof vom Vater übernommen hat, mochte die Zucht nicht weiter betreiben. Zu unsicher schien ihm das Geschäft. Verkauft man ein Spitzenpferd, schnellen die Einkünfte zwar in die Höhe, doch anschließend kann es wieder wochenlang schlecht aussehen. Jetzt gibt Nico Strunks Frau Reitunterricht für Kinder.
Ein Problem, das Sylvia Borgmeyer vom Züchterverband „Westfälisches Pferdestammbuch“ kennt: „Im Moment hören viele ältere Züchter auf, den jungen ist das Risiko oft zu groß.“ Seit Jahren sind die Mitgliederzahlen des Verbands rückläufig, auch die Auktionserlöse bröckeln seit dem Beginn der Wirtschaftskrise. Im Herbst 2008 lag der Durchschnittspreis für ein Pferd bei der Elite-Auktion des Westfälischen Pferdestammbuchs noch bei über 32 000 Euro. Bei der letzten Auktion, Ende 2012, waren es nur etwas mehr als 29 000.
Weil Züchter schließen, gibt es immer weniger Pferde. Zwischen 2001 und 2012 schrumpfte der Stutenbestand im Zuchtverband von 13 645 auf 9191. Borgmeyer: „Es ist schwieriger als früher. Wir müssen uns mittlerweile anstrengen 40,50 gute Pferde für die Auktion zu bekommen.“
Kosten galoppieren davon
Zudem ist die Pferdezucht ein teures Geschäft. Wilhelm Strunks Sohn Nico hat für die Abschlussarbeit seines Studiums ausgerechnet, was ein Pferd den Züchter kostet, bis es verkauft werden kann. Über 15 000 Euro. „Ein Pferd kostet jeden Monat sicherlich mehrere Hundert Euro. Es dauert mindestens drei Jahre, bis sie mit der reiterlichen Ausbildung eines Pferds anfangen können“, erklärt er.
Bis dahin verursacht das Pferd nur Kosten, neben Futter auch für Stall, Hufbeschlag und Tierarztbesuche. Tiere, die aber nicht dazu im Stande sind bei Dressur und Springreitturnieren mitzumischen, müssen oft unter Wert verkauft werden.
„Pferde im normalen Preissegment sind im Moment schwer zu verkaufen“, sagt auch Christa Finkler-Schade, die im niedersächsischen Verden eine Fachberatung für Pferdebetriebe hat. Denn deutlich weniger Kunden als früher sind bereit, viele Tausend Euro für ein Freizeitpferd auszugeben. Ein Ende der Krise ist laut Finkler-Schade erst in zwei oder drei Jahren möglich. „Dann hat sich das Angebot stark genug verknappt, um der gesunkenen Nachfrage zu entsprechen.“
Wilhelm Strunk hat sich deshalb ein neues Geschäftsmodell überlegt. Er will die Nachfahren seiner noch verbliebenen Stuten schon als Fohlen verkaufen. So muss er nicht für die teure Haltung der Pferde zahlen. Der Totilas-Sprössling gehört übrigens seinem Bruder. Ob er mal ein Star wird und zu einem guten Preis verkauft wird? Strunk zuckt mit den Schultern. So etwas könne man bei der Zucht nie mit Sicherheit sagen: „Die Söhne von Franz Beckenbauer sind auch keine Fußballstars geworden.“