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Vorbildhafte Ausbilder

Vorbildhafte Ausbilder

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Foto: Funke Foto Services
  • Mutiger Schritt in die Selbstständigkeit
  • Tortenatelier mit 21 Jahren eröffnet
  • Ein Bürojob kam nicht infrage

Arnsberg. 

Wenn es um die schwierige Ausbildungsplatzsituation im Land geht, verweisen Vertreter der Wirtschaft, gerne aber auch Politiker, schon einmal auf mangelnde Flexibilität der Jugendlichen als Grund für viele offene Lehrstellen. Allein in Südwestfalen waren es im August in diesem Jahr noch rund 2000 Plätze. Besetzungsprobleme hängen aber auch mit dem Angebot, der Qualität und Attraktivität der Ausbildung zusammen.

In der Grürmannsheide in Iserlohn klingt mangelnde Flexibilität beinahe wie eine Mär. Fünf junge Damen flitzen hier durch das Tortenatelier Schwanbeck. Das Kleinunternehmen wurde gestern von der Handwerkskammer Südwestfalen als Ausbildungsbetrieb des Jahres 2016 ausgezeichnet.

Ein Blick hinter die Kulissen der Konditorei am Leckerhorstweg lässt erahnen, dass die Auszeichnung nicht von ungefähr kommt. Chefin Caroline Schwanbeck ist selbst 27 Jahre jung. Die Iserlohnerin absolvierte ihre Ausbildung nach der 10. Klasse bei Spetsmann, einer ziemlich guten Adresse, wenn es im Zentrum der Waldstadt um Konditorenkunst geht.

Die Ausbildungsvergütungen sind mitunter sehr gering – weil auch nicht festgelegt. Auch im Anschluss ist der Lohn in Euro nicht gerade üppig. Wer sich dennoch für eine Lehre in diesem Fach entscheidet, muss einen anderen Antrieb haben. „Schauen Sie sich um, das macht hier einfach voll Spaß. Wenn wir eine Torte ausliefern, sind wir immer auch ein bisschen traurig.“ Aus Caroline Schwanbeck sprudelt die Leidenschaft für ihren Beruf nur so heraus. Die damals 260 Euro zu Ausbildungsbeginn, von denen noch 120 Euro für ein Bahnticket zur Berufsschule abgingen, waren für sie jedenfalls nicht der Ansporn für die Konditorlehre. Die junge Chefin hat kein Abitur. Dennoch könnte sie als Meisterin jederzeit studieren. Es war durchaus eine Überlegung vor dem Schritt in die Selbstständigkeit, falls das Geschäft einmal nicht mehr läuft. Eine duale Berufsausbildung in Deutschland ist eben keineswegs eine Sackgasse, sondern lässt viele Chancen zu. Schwanbeck ergriff einige davon. Sie begann die Meisterschule, nutzte 5000 Euro Begabtenförderung, um die Eisfachschule zu besuchen und machte neben dem Meistertitel noch den Betriebswirt im Handwerk. Mit 21 Jahren eröffnete sie ihr Tortenatelier – und verschwendet heute keinen Gedanken daran, etwas anders machen zu wollen. Aktuell denkt sie eher darüber nach, dass sie und ihr Team am Tag nach der Ehrung – und einer Feier – noch die restlichen der insgesamt 17 Hochzeitstorten für dieses Wochenende pünktlich ausliefern müssen. Zum Team gehören die angehende Meisterin Xenia Kreuz (26 Jahre aus Hagen), Jana Lytkin (24, aus Schwerte – die allererste Auszubildende im jungen Betrieb), Luisa Rosemann (19 aus Herscheid).

Duale Berufsausbildung bietet Chancen bis hin zum Studium

Letztere fehlt, weil sie gerade beim Marzipan-Moll-Cup, einem Wettbewerb für Azubis ab dem zweiten Lehrjahr, in Berlin teilnimmt. Und dann noch die Auszubildende Eva Bromberg (19), die jüngste im Betrieb. Auch sie ist im zweiten Lehrjahr, kommt jeden Tag aus Gevelsberg zur Arbeit und bereut es nicht: „Ich hatte überlegt, Ökotrophologie zu studieren. Im Büro, das wäre nichts für mich gewesen. Ich habe nun für mich das Perfekte gefunden.“ Darauf gekommen ist sie durch ein Video über das Konditorhandwerk im örtlichen Berufsinformationszentrum. Den Ausbildungsbetrieb in Iserlohn fand sie durch Eigenrecherche im Internet.

Chefin Schwanbeck hat keine Probleme, Azubis zu finden, bekommt jedes Jahr „Bewerbungen ohne Ende“, sagt sie. Voraussetzungen aus ihrer Sicht sind: „Die Person muss ins Team passen, Sinn für Form, Farbe und Schönheit haben, wenn es geht auch ein bisschen Geschmack.“ Das Wichtigste aber sei Leidenschaft: „Entweder man brennt für diesen Beruf oder nicht.“ Dann ist Flexibilität kein Thema mehr.