Mitarbeiter im Opel-Werk Bochum müssen weiter bangen
Der Opel-Chef Stracke hat betont, dass eine Entscheidung über die Zukunft des Bochumer Werks noch offen sei. Der Betriebsratschef Einenkel fühlt sich angesichts der drohenden Schließung „verarscht und belogen“. Auch Ministerpräsidentin Kraft hat kein gutes Gefühl. 3200 Opelaner in Bochum bangen – und fordern klare Ansagen. Die gab es aber nicht.
Bochum.
Die Zukunft des Bochumer Opel-Werks ist weiterhin offen. „Es gibt noch keine Entscheidung zu Bochum“, sagte Firmenchef Karl-Friedrich Stracke am Montagmorgen bei einer Belegschaftsversammlung. Die Schließung des Werkes ist nicht beschlossen. In seiner Gegenwart, so Stracke, sei eine Verlagerung des Zafiras nach Rüsselsheim nicht thematisiert worden. Eine solche Verlagerung würde wohl das Aus in Bochum bedeuten. „Ich habe niemals den Zafira in Rüsselsheim angeboten und das werde ich auch so nicht tun“, sagte der Opel-Vorstandschef Karl-Friedrich Stracke. Das klare Signal, das sich die Opelaner in Bochum gewünscht hatten, war das nicht.
Opel-Betriebsrat fühlt sich „verarscht“
Eine Entscheidung, wie es mit dem Werk nach 2014 weitergeht, wird wohl bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung am 28. Juni vertagt. Dann solle dem Aufsichtsrat ein Unternehmensplan mit einem Gesamtkonzept für Europa vorgelegt werden. Die Opel-Mitarbeiter sind weiter sauer. Sie warfen dem Aufsichtsrat am Montag erneut „Erpressung“ vor.
Der Bochumer Opel-Betriebsratschef Rainer Einenkel hat die Opel-Spitze zuvor wegen einer möglichen Schließung des Bochumer Werks heftig kritisiert. Mit der angekündigten Verlagerung der Astra-Produktion nach England und Polen werde „der Boden für eine Schließung bereitet. Wir haben es satt, verarscht und belogen zu werden“, wetterte Einenkel.
Das Vertrauen in den Vorstand sei bei „null Komma null“ angekommen. „Diejenigen, die die Scheißqualität liefern, dürfen die Autos bauen“, äußerte Einenkel sein Unverständnis. Die Entscheidung sei „unsinnig“, „nicht plausibel“ und „fragwürdig“, zumal, so Einenkel, die Astra-Produktion in Bochum rund 500 Euro günstiger als etwa in Ellesmere Port sei. „Bochum ist das produktivste Werk“ und sei „hochflexibel“, sagte Einenkel. Andere Aussagen seien nicht korrekt, weil General Motors (GM) falsche Wirtschaftsdaten bekommen habe.
Hannelore Kraft nervt das „Totenlied“ für das Bochumer Opel-Werk
NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), ganz in schwarz gekleidet, traf gegen kurz vor acht Uhr auf dem Opel-Gelände ein. Ihre Miene: besorgt. Sie sei „beunruhigt“, habe keine guten Gefühle, erklärte sie vor den anwesenden Journalisten. Sie sei sich aber mit den anderen Ministerpräsidenten mit Opel-Standorten einig, dass „wir uns nicht auseinander dividieren lassen.“ Sie forderte eine „Offensive für Opel“ und hob hervor, dass die jetzige Opel-Strategie, einzelne Werke infrage zu stellen, „keine gute ist“. Ähnlich äußerte sich Einenkel. Er zeigte sich mit den Beschäftigten in Rüsselsheim solidarisch. „Wir werden eine gemeinsame Lösung finden – oder gar keine“, so Einenkel bei einer Pressekonferenz am Mittag.
Das Bochumer Werk biete Opel zahlreiche Vorteile, betonte Kraft. Zudem sei das Ruhrgebiet auch ein großer Absatzmarkt für Opel. „Wir werden Flagge zeigen“, so Kraft. Später sagt sie unter tosendem Beifall der Beschäftigten, dass es „schlimm“ sei, dass seit Jahren das „Totenlied“ für das Bochumer Werk angestimmt werde. Das „Totenglöckchen“ für das Opel-Werk in Bochum müsse begraben werden. Stracke habe heute „nichts Klares sagen wollen oder können“. Die Ministerpräsidenten mit Opel-Standorten erwägen wohl, selbst nach Detroit zur GM-Zentrale zu fahren, um dort für die deutschen Interessen zu werben. Neben der NRW-Ministerpräsidentin waren viele weitere Bundestags- und Landtagsabgeordnete sowie Lokalpolitiker vor Ort.
Bis zu 45.000 Arbeitsplätze hängen an Opel in Bochum
Opel hatte vorige Woche angekündigt, sein Erfolgsmodell Astra künftig in England und Polen zu bauen. Nun wird spekuliert, dass das Modell Zafira, das derzeit in Bochum produziert wird, demnächst in Rüsselsheim entsteht. Das dürfte das Aus für Bochum bedeuten. Nach Angaben des Betriebsrats wären von einer Opel-Schließung in Bochum landesweit etwa 45.000 Arbeitsplätze auch bei Dienstleistern und Zulieferern betroffen.
Grönemeyer kritisiert Opel-Spitze als „unmenschlich“
Rainer Einenkel hatte zu Beginn der Belegschaftsversammlung einen Brief von Herbert Grönemeyer vorgelesen. Darin äußert sich der Sänger mit Sorge über die Ereignisse in seiner Heimstadt Bochum. Das Verhalten von GM und Opel sei „unmenschlich und zynisch“, kritisierte Grönemeyer. Er fordere „mit ganzem Herzen“ einen Erhalt des Bochumer Werkes. „Opel ist Bochum und Bochum ist Opel“, erklärte Grönemeyer, der am Dienstagabend ein Konzert in Bochum gibt. „Ich bin mit meinen Gedanken bei euch. Mit herzlichen Grüßen und Wünschen. Glück auf. Herbert.“
Betriebsratschef Einenkel: Opel kann auf Bochum nicht verzichten
Der Betriebsratschef des Bochumer Opel-Werkes, Rainer Einenkel, hatte bereits im ARD-Morgenmagazin harten Widerstand im Falle einer Schließung des Standortes angekündigt. „Wenn man uns diese Produktion wegnimmt, dann werden wir sehr kreativ reagieren. Und die Reaktion wird dazu führen, dass wir hier bleiben“, sagte Einenkel am Montagmorgen.
Bochum sei das produktivste Werk in Europa, das die beste Auslastung habe: „Wir arbeiten an fünf Tagen in der Woche in drei Schichten.“ Opel könne auf Bochum nicht verzichten, „das werden wir deutlich machen“.
Gesamtbetriebsratschef Schäfer-Klug will den deutschen Anteil am 2010 vereinbarten Sanierungsbeitrag der Arbeitnehmer kürzen, und zwar um die Summe des gesondert ausgehandelten Lohnverzichts bei Opel in England.
IG-Metall: Opel-Führung provoziert die Belegschaft
Der Frankfurter IG-Metall-Bezirksleiter Armin Schild verlangte von der Opel-Mutter General Motors einen Plan, der die Spekulationen um Werksschließungen beende. „Wenn die Unternehmensstrategie nicht bald eindeutig geklärt wird, droht eine Abwärtsspirale“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Alle vier heimischen Standorte, auch Bochum, müssten erhalten bleiben. Neben Rüsselsheim und Bochum betreibt Opel auch Fabriken in Eisenach und Kaiserslautern.
Dass die Belegschaft in Ellesmere Port für den Zuschlag des Astra unter Druck Lohnkürzungen akzeptierte, sei ein schlimmer Vorgang, sagte Schild. Opel habe die Existenzangst der Kollegen „eiskalt ausgenutzt“. „Mit herbei gepressten Arbeitnehmer-Beiträgen kann man kein Unternehmen führen“, erklärte er. Über Wochen seien alle europäischen Standorte mit Schließung bedroht worden. „Dass irgendwann der Schwächste umfällt, ist klar“, sagte er.
Die Aussage von Opel-Chef Stracke, dass Ellesmere Port und Gliwice die „Eckpfeiler“ der europäischen Produktion würden, sei unprofessionell und eine Provokation für die Belegschaften in Rüsselsheim und Bochum. „Das sagt viel über die Führungskultur bei Opel aus“, sagte Schild. (mit dapd und rtr)