Die Grünen haben die Facharzt-Wartezeiten für Kassen- und Privatpatienten untersucht. Trotz leichter Besserung in NRW und im Ruhrgebiet ist vor allem bei der Terminvergabe in Praxen von Augenärzten und Radiologen Geduld gefragt – im Schnitt 25 Tage.
Essen.
Wohnen Sie im Rheinland oder Ostwestfalen und brauchen Sie einen Termin beim Radiologen oder Hautarzt? Sind Sie auch noch Kassenpatient? Die Chancen, dann kurzfristig beim Doktor klingeln zu können, sind schlecht. Aachener Arztkunden müssen im Schnitt 67 Tage auf eine Radiologen-Untersuchung warten. In Paderborn hat ein Röntgenexperte schon 180 Tage Wartezeit geboten.
Das ist natürlich ein Ausreißer. Der Alltag ist weniger extrem, auch wenn er den meisten meistens Geduld abverlangt: Im Ruhrgebiet warten die Kassenpatienten im Schnitt 25 Tage auf einen Facharzttermin. Privatversicherte schaffen das dagegen schon in sechs Tagen.
Grüne riefen in 405 Praxen an
Die NRW-Grünen machen sich etwa alle drei Jahre die Mühe, die Arztwartezeiten im Land zu dokumentieren. Sie tricksen ein bisschen und telefonieren mit 810 Anrufen 405 ausgewählte Fach-Praxen ab. In der ersten Runde melden sie sich als Kassenpatient, der einen Termin möchte, in der zweiten als Privatpatient mit gleichem Wunsch. Jetzt liegt – nach 2011 – wieder eine Untersuchung vor.
Das erste Ergebnis, wenig erstaunlich: In allen Regionen des Landes warten Kassenpatienten länger als Privatversicherte.
Große regionale Unterschiede
Zweitens: Auffällig sind regionale Unterschiede. In und um Bonn warten Kassenversicherte 24 Tage länger als „private“ auf den Facharztbesuch, in Münster sind es gerade zwölf Tage Differenz. 19 Tage groß ist der Unterschied im Ruhrgebiet, wo 90 Ärzte in Duisburg, Dortmund, Essen, Bochum, Gelsenkirchen und Oberhausen angerufen wurden. Die große Schwachstelle für Kassenpatienten sind hier die Augenarzt-Praxen.
Drittens: Nach Radiologe, Haut- und Augenarzt sind auch die Wartezeiten bei Internist, Orthopäde und Kardiologe nicht kurz. Bei den Herz/Kreislaufexperten erhält man im Schnitt nach zwei Wochen einen Termin, als Privatpatient nach acht Tagen.
Höhn: Die Bürgerversicherung hilft
Viertens aber auch: Aus den ausführlichen Tabellen liest sich schon eine leichte Besserung heraus. 2011 mussten Kassenversicherte NRW-weit im Schnitt 23 Tage länger auf einen Facharzttermin als „Private“ warten. Heute 20 Tage.
Motor des Großvergleichs ist die grüne Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn. „Es ist nicht hinnehmbar, dass es solche Unterschiede gibt. Gerade für Kassenpatienten mit ernsthaften Problemen.“ Höhn kennt aber auch die Ursachen: „Wenn Ärzte für einen Privatpatienten mehr als das doppelte an Honorar bekommen, ist eine Bevorzugung bei der Terminvergabe nachvollziehbar.“ Deshalb verlangt ihre Partei den Systemwechsel: Die Bürgerversicherung soll kommen. „Hier zahlen alle nach ihrer Leistungsfähigkeit in einen Topf“, sagt die Abgeordnete.
Bundesregierung plant Terminservicestellen
Die schwarz-rote Bundesregierung geht einen Schritt, um den Krach um Wartezeiten zu entschärfen. Sie will „Terminservicestellen“. Bei Anruf sollen alle Patienten innerhalb eines Monats ein Arzt-Date bekommen. Der Gesetzentwurf ist noch im September zu erwarten. Ärzte laufen Sturm dagegen. Ihr zentrales Argument: Ja, es gibt Wartezeiten für Kassenpatienten. Aber es gibt sie nicht, wenn die Gesundheit akut gefährdet ist.
Auch die Grüne Höhn hält den Koalitionsplan nur für „teilweise sinnvoll“. Denn 70 Prozent der angerufenen Praxen sichern Kassenpatienten einen Termin binnen vier Wochen zu. Nur: „Fast 70 Prozent der privat Versicherten bekommen ein Angebot innerhalb der ersten drei Tage, vielfach noch am gleichen Tag“, sagt Höhn.