Schon beim ersten Klopfen öffnet Bilana Asatovic die Tür. Die Serbin lächelt, als sie Sigrid Culemann von der Flüchtlingsinitiative „Bunter Oberhausener Norden“ (BON) vor der Tür erkennt. Fest ist der Händedruck, offen die Geste, mit der sie die Ehrenamtliche hinein bittet in das 20,25 Quadratmeter große Zimmer, das sich Bilana Asatovic und ihr Mann zum Schlafen, Wohnen und Kochen teilen. Sie gehören zu den ersten Paaren, die in das neue Flüchtlingsheim an der Gabelstraße gezogen sind.
Rund 100 Flüchtlinge sollen in den Containern Unterschlupf finden, die die Stadt auf einem Parkplatz in Schmachtendorf aufgestellt hat. Es ist das zweite Mal, dass das Rathaus auf eine Fläche an der Gabelstraße zurückgreift, um der jüngst steigenden Zahl von Asylsuchenden – knapp 900 – eine Bleibe zu schaffen. Wie schon bis 2012, als das erste dortige Containerdorf aufgegeben wurde, ist auch diesmal die von Bürgern ins Leben gerufene BON-Initiative vor Ort, um den Flüchtlingen zu helfen.
Medikamente in Plastiktüten
Im Zimmer der Asatovics bietet Ehemann Aydin gleich einen Sitzplatz an. Die beiden Metallbetten sind wie Sofas um den Wohnzimmertisch gestellt. Das Paar hat versucht, es sich heimisch einzurichten – auf Tischen aus zweiter Hand liegen geklöppelte Decken, von einer Schnur hängen Gardinen vor dem Fenster. Bilana Asatovic geht zur Kochnische, in der auf einem Zweiplattenherd das Abendessen wartet und auch eine Waschmaschine steht. Lächelnd streicht Asatovic über das neue Gerät.
Ihr ganzes Hab und Gut, erzählen die Asatovics, hätten sie in jenem schweren Hochwasser verloren, das im Frühjahr Serbien heimgesucht hatte. In ihrer Heimat sei ihnen nicht geholfen worden, in Deutschland hofften sie auf eine zweite Chance. Krank sei ihr Mann, sagt Bilana Asatovic immer wieder, holt aus einem Metallspind viele kleine Plastiktüten mit Tabletten und ärztlichen Briefe hervor.
Mit solchen Briefen, behördlichen Schreiben, Sorgen kommen die Flüchtlinge zu den BON-Aktiven. 1993 hat sich die Initiative gegründet, nachdem Unbekannte das Haus einer deutsch-italienischen Familie mit fremdenfeindlichen Sprüchen beschmiert haben. Ab 1994 übernahmen die Ehrenamtlichen die Betreuung von Flüchtlingen an der Gabelstraße. Dort organisierten sie Kinderfeste, Hausaufgabenhilfe und Kleiderkammern. Als das Heim wegen sinkender Flüchtlingszahlen aufgegeben wurde, engagierte sich BON in der Unterkunft an der Bahnstraße.
In die Entwicklung des neuen Containerdorfs an der Gabelstraße sei BON von Anfang an eingebunden gewesen. „Die Stadt hat uns so beteiligt, wie wir das noch nicht erlebt haben“, lobt Friedrich Wesendonk. Culemann bezeichnet die Gabelstraße zwar als Heim-Standort, aber auch als unglücklich: „Das ist weit ab vom Schuss.“
Lan Cheng aus China stört das nicht. Der 28-Jährige trägt nur blaue Flipflops an den Füßen, er wirkt müde. Erst vor drei Tagen sei er mit seiner Freundin nach Deutschland geflogen. Das Geld habe er lange gespart, sagt er, denn seine Familie sei sehr arm. In Deutschland wolle er lernen, wie man armen Menschen helfen kann. Wie er in Oberhausen aufgenommen wurde? Plötzlich hellt sich Lan Chengs Gesicht auf: „Ich bin so dankbar.“