Veröffentlicht inOberhausen

Ein Leben voller Überschläge

Ein Leben voller Überschläge

47957339-288--656x240.jpg
Foto: Ulla Emig WAZFOTOPOOL

Oberhausen. 

Wenn sich die ausgefeilte Technik des Großfahrgeschäftes „Transformer“ in Bewegung setzt, Lichter blinken, Teenies kreischen, weißer Nebel aufsteigt, verwandelt sich die Fabiola Schmidt in die wichtigste Frau im Tohuwabohu.

In einer kleinen Kabine ist die 35-Jährige Kommentatorin, Analystin und Steuerfrau in einer Person. Ein Job zwischen Feingefühl und markigen Sprüchen.

„Treten Sie näher! Willkommen zur besten Schwiegermutter-Verwertungs-Anlage der Welt“

Für Fabiola Schmidt ist das Schaustellerleben nicht nur Arbeit, sondern eine Leidenschaft. Mit dem riesigen Fahrgeschäft hat sie noch bis Montag direkt am Sterkrader Bahnhof auf der Fronleichnamskirmes ihren Platz gefunden.

Von Kirmes zu Kirmes quer durch die Republik

Die Karussell-Karriere ist – wie so oft – eine Familienangelegenheit. Ihr Mann Marc ist Schausteller in der siebten Generation. Sie selbst hat einen trockenen Bürojob gegen das Leben auf der Straße eingetauscht. Von April bis November geht es mit drei Schwertransportern von Kirmes zu Kirmes – quer durch die Republik.

„Könnt’ Ihr noch? Dann geht’s weiter! Arme ausstrecken, festhalten und ab – ab – ab – ab!“

Ein Leben mit viel Freiheit, aber auch voller Verzicht. Während der Saison ist Urlaub Tabu. Die Tage beginnen früh, enden spät. Alltag im kleinen Wohnwagen. „Du musst für so ein Leben mit Herzblut dabei sein!“

Fabiola Schmidt möchte keine Sekunde missen. Das Gerät „Transformer“ (Kosten im Neuwert: Knapp 2 Millionen Euro) ist zum ersten Mal bei der Fronleichnamskirmes dabei. Obgleich das Überschlag-Ungetüm in der Urversion schon zu den Klassikern des Gerne zählt. Das Besondere: Das Karussell dreht sich nicht einmal, sondern insgesamt drei Mal mitunter gegengesetzt voneinander – durch seine kreisförmige Mechanik.

Schmidt: „Technisch gehört das Gerät zu den anspruchsvollen Fahrgeschäften.“ Wenn es schnell gehen muss, wird das Karussell innerhalb von 24 Stunden aufgebaut. Sechs Mitarbeiter plus dem Schaustellerpaar helfen mit. Die Sicherheitsvorgaben in Deutschland – die immer wieder mal in der Öffentlichkeit diskutiert werden – hält Fabiola Schmidt für streng, aber wichtig: Der TÜV nimmt das Gerät nicht nur bei jährlichen Kontrollen ab, sondern auch vor jedem Rummelplatz.

Testfahren führen die Besitzer selbst durch

Zudem veranstalten die Besitzer selber tägliche Testfahrten. „So kannst du überprüfen, wie das Karussell klingt!“

„Zick, Zack, einsteigen, dabei sein. Wir staaarteeennn!“

Den 100 Tonnenkoloss kennt die gebürtige Berliner auswendig. „Dieses Knarren ist normal!“, sagt sie wie selbstverständlich, wenn die Kreiselkonstruktion ihre Kabinen über den Kopf umherwirbelt. „Das hat mit dem Untergrund zu tun. Wir stehen auf Beton – auf Kirmesplätzen mit Kies oder Erdreich gibt es andere Geräusche!“

In ihrer kleinen Kabine animiert Fabiola Schmidt nicht nur die Gäste („Die Sprüche fallen dir spontan ein!“), sondern steuert auch das Gerät. „Viele denken, alles klappt automatisch, aber das stimmt nicht.“ Mit drei Steuerknüppeln kann sie die Bewegungen des Kolosses wie mit einem Joystick beeinflussen. „So kannst du besser auf das Publikum reagieren.“

Bis zu sechs Minuten dauert eine Fahrt

„Jetzt geht’s rückwärts rund. Das lassen wir uns schööön langsam durch den Kopf gehen…“

Knapp sechs Minuten kann eine Fahrt dauern. „Die Gesichter der Gäste hat Fabiola Schmidt dabei stets im Blick. „So kannst du erkennen, wie es dem Personen geht! Anhalten müssen wir nur ganz selten!“ Fahrgäste, die ihren Mut überschätzen, gebe es schon mal. Aber nur einer Person pro Tag, so Schmidt, werde durchschnittlich schlecht. „Würfelhusten“ heißt das in der Schaustellersprache.

Das Fahrgeschäft soll aber nicht nur für Hardcore-Fans Spaß machen. „Mein ältester Fahrgast war 78 Jahre alt. Er ist mit dem Krückstock zu seinem Platz gelaufen. Und hat danach sofort noch einen Fahrchip gekauft.

„Und war die Reise noch so schön, so muss sie jetzt zu Ende gehen!“