Jährlich 19 000 Tote durch Behandlungsfehler in Krankenhäusern macht die AOK aus. Rund 500 000 Patienten infizieren sich jährlich an einem Keim in einer Klinik. Müssen wir Angst haben, ins Krankenhaus zu gehen? Deutliche Kritik an den AOK-Zahlen üben die Ärztlichen Direktoren der Mülheimer Krankenhäuser, Prof. Heinz-Jochen Gassel und Dr. Stephan Elenz, sowie die Geschäftsführer der Kliniken, Dr. Dirk Albrecht und Nils B. Krog. „Das ist eine unnötige Verunsicherung der Patienten“, kritisiert Prof. Gassel bei einer Gesprächsrunde in der WAZ-Redaktion: „Echte Behandlungsfehler sind sehr selten.“
Keinerlei Verständnis zeigen die Mediziner zudem dafür, dass von der AOK die Todesfälle in Kliniken auch noch mit Toten bei Verkehrsunfällen verglichen werden. „Wer schwer verletzt auf der Straße nach einem Unfall gerettet wird, in ein Krankenhaus kommt, dort operiert und wird, und vielleicht dann doch nach ein paar Tagen stirbt, wird als Toter eines Krankenhauses und nicht mehr als Verkehrstoter gezählt“, hebt Krog hervor.
Die Qualitätsstandards in deutschen Kliniken seien inzwischen sehr hoch, betonten die Geschäftsführer. Bei allen komplizierten und kritischen Behandlungen werde eine professionelle Zweitmeinung eingeholt. In beiden Mülheimer Häusern schalteten sich die Chefärzte in alle schwierigen Fällen ein.
„Wir müssen auch klar zwischen Komplikation und Fehler unterscheiden“, sagt Gassel. Komplikationen könnten trotz aller Vorbereitungen und aller Sorgfalt immer auftreten. Jeder Eingriff erfolge nach einem festgelegten Standard, der bis ins Einzelne kontrolliert und eingehalten werde. Dem Kontrollverfahren unterlägen alle Beteiligten – ohne Rücksicht auf Hierarchien. Gassel vergleicht die Vor- und Nachbereitungen mit einem Check im Cockpit eines Flugzeuges, auch dort sei alles streng geregelt. So werde etwa kein Bein operiert, das nicht eindeutig vorher markiert worden sei, so würden nach jeder OP die eingesetzten Materialien gezählt.
Auch die weitere Versorgung nach dem Eingriff, so Elenz, sei strikt standardisiert, werde ständig kontrolliert. Eine geringe Beanstandungs- und Wiedervorstellungsquote der Patienten ist für die Mediziner ein objektiver Maßstab für Qualität.
Mit zunehmender Technisierung, so Krog, hätten die Krankenhäuser auch die Fehlerquellen heruntergefahren. Als Beispiel nannte er etwa die Medikamentenverordnungen. In früheren Zeiten, als noch mehr Pflegepersonal eingesetzt worden sei, sei die Qualität in den Kliniken nicht besser gewesen. Heute sorgten Systeme zur Automatisierung dafür, dass Medikationen, die sich gegenseitig negativ beeinflussen, ausgeschlossen werden. Um Fehler zu vermeiden, bauen beide Krankenhäuser auf Weiterbildung. Gerade für den Umgang mit Demenzkranken sei dies sehr wichtig. Für eine „Fehlerkultur“ in Krankenhäusern plädierte Dirk Albrecht. Dazu gehöre eine hohe Transparenz und: „Wo tatsächlich ein Fehler passiert, muss der Arzt auch dazu stehen.“
Hygiene, der Schutz vor Infektionen mit den gefürchteten Multiresistenten Erregern (MRE) sei keine Sache eines einzelnen Krankenhauses: „Die Häuser tauschen sich aus, im MRE-Netzwerk ist das Gesundheitsamt im Boot“, betont Elenz. „Deshalb“, ergänzt Albrecht, „sind Zertifizierungen auch so wichtig.“ In den letzten Jahren , so Krog, habe sich viel in Sachen Sicherheit getan.
Dr. Elenz, Chefarzt der Orthopädie am St. Marien-Hospital, betont, was neben hoher Qualität besonders wichtig ist: „Der Patient sucht nicht nur Qualität, sondern auch einen Arzt, dem er vertraut.“