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JVA Gelsenkirchen: Eingesperrt im Gefängnis – so fühlt es sich wirklich in der Zelle an

DER-WESTEN-Reporter Stefan Schier durfte probeweise eine Haft antreten. Inklusive emotionalem Bezug der Zelle und medizinischer Untersuchung.

Der Westen Reporter Stefan Schier besucht die JVA-Gelsenkirchen.
© Marisa Schräder

So sieht eine Zelle der JVA Bochum von innen aus

Wir haben uns eine Zelle in der Bochumer JVA von innen angeschaut.

Was passiert eigentlich genau hinter den hohen Gefängnismauern, wenn ein Häftling seine Haftstrafe antreten muss? Die JVA Gelsenkirchen hat mir die Möglichkeit gegeben, einen Haftantritt am eigenen Leib zu erfahren. In Teil 2 der DER-WESTEN-Reportage – hier nachzulesen – wurde ich bereits vom JVA-Zugangsbetreuer aufgenommen und habe erfahren, was für die Häftlinge am Anfang besonders wichtig ist. Außerdem war ich unvermittelt mit einem anderen Häftling eingeschlossen.

Jetzt muss ich plötzlich Körperflüssigkeiten abgeben und werde medizinisch auf links gedreht. Danach beziehe ich zum ersten Mal die Zelle, in der ich meine restliche „Haftzeit“ absitzen würde. Ein beklemmendes Gefühl.

JVA Gelsenkirchen: „Bitte vollmachen“

Ich sitze in der Wartezelle vor dem Sanitätsdienst. Mir gegenüber wartet ein etwa 50- bis 60-jähriger glatzköpfiger Häftling. Ich fühle mich inzwischen schon etwas sicherer, aber möchte trotzdem raus aus der Situation. Endlich öffnet sich die Tür und ich werde aufgerufen. Der JVA-Sanitäter reicht mir einen weißen Plastikbecher. „Urinprobe. Bitte voll machen.“ Ich nehme mir den Becher und gehe in die kleine Toilette direkt neben der Eingangstür. Die Toilettentür lässt sich durch eine Schiebetür zuziehen, aber natürlich nicht abschließen. Den Becher befülle ich und komme wieder heraus.

Der Westen Reporter Stefan Schier kurz vor der medizinischen Untersuchung.
DER-WESTEN-Reporter Stefan Schier kurz vor der medizinischen Untersuchung. Foto: Marisa Schräder

Ich gebe dem Sanitäter meine Urinprobe, der sie anschließend auf sieben verschiedene Drogenarten testet. Nach kurzer Zeit „Entwarnung“, alles negativ. Ich bekomme den Becher wieder zurück, soll ihn selbst auf der Toilette ausleeren und dann in den Mülleimer in der Wartezelle werfen. Dann wird die Tür wieder aufgeschlossen und ich werde zur Ärztin gerufen. Ich verabschiede mich kurz bei dem anderen Häftling und gehe zu der untersuchenden Ärztin.

Negative Konsequenzen heißt „Sicherungsmaßnahmen“

Im Raum befinden sich drei Frauen, die sich um meine medizinische Untersuchung kümmern. Jeder Häftling hat hier die Möglichkeit, beim Einzug den JVA-Zahnarzt aufzusuchen und sich die Zähne „reparieren“ zu lassen, wird mir zu Beginn erklärt. Dann werde ich gewogen, gemessen und mein Blutdruck wird gecheckt. Etwas hoch, könnte der Stress sein. Außerdem wird mein Blutzucker gemessen sowie meine Herz- und Lungenfunktion getestet. Dann noch ein Alkoholtest, ein Gespräch über Vorerkrankungen und Familienhistorie etc.

Das Ergebnis der Untersuchung und des Gesprächs ist sehr wichtig für jeden Häftling, denn davon hängt die Unterbringung ab. „Jeder Häftling kann immer alles verweigern, aber das hat unter Umständen negative Konsequenzen“, erklärt die JVA-Ärztin. Negative Konsequenzen heißt „Sicherungsmaßnahmen“. Stellt sich heraus, dass ich ein Drogen- oder Alkoholproblem habe, dann fällt die Option der bei Häftlingen beliebten Einzelzelle für mich weg. Denn Entzugserscheinungen könnten sich sehr negativ auf mein Wohlbefinden und mein Verhalten in der Zelle auswirken.

JVA Gelsenkirchen: Zum ersten Mal in meiner Zelle

Mein Besuch bei der Gefängnisärztin verläuft positiv. Keine großen Auffälligkeiten und mental fit. Das wäre eigentlich meine Eintrittskarte für eine Einzelzelle. Trotzdem komme ich probeweise in einen Beobachtungshaftraum, in den normalerweise alkoholabhängige Gefangene gesteckt werden. Dieser dient zu meiner eigenen Sicherheit, falls ich einen Entzug durchlebe. Ein JVA-Zugangsbetreuer bringt mich über einen steril wirkenden, hellen Gang zu meiner Einzelzelle. Auf dem Weg höre ich rechts und links immer mal wieder laute Musik durch die anderen Zellentüren dröhnen.

Eine offene Zelle in der JVA-Gelsenkirchen.
Eine offene Zelle in der JVA Gelsenkirchen. Foto: Marisa Schräder

Dann fällt die schwere Zellentür hinter meinem Rücken zu. Links vor mir sehe ich ein kleines Bett mit einer 90 x 200 cm großen Matratze aus blauem Schaumstoff. Rechts daneben, unter dem vergitterten Fenster, steht ein Schreibtisch. Davor ein hellbrauner Holzstuhl mit schwarzen Beinen und rechts daneben ein hellbrauner Schrank. Dazu gibt es einen Mülleimer in der Zelle.

JVA Gelsenkirchen: Wie lange halte ich das mental durch?

Mein Blick schweift hinaus durch die Gitterstäbe und das Feingitter. Das Fenster hinter dem Gitter kann ich selbstständig öffnen. Draußen ist alles grau. Ich sehe viel Stacheldraht. Links von mir andere Zellenblöcke und geradeaus vor mir die hohe Gefängnismauer. An der Wand neben dem Schrank steht „Matze Loco aus Rheine“ gekritzelt. Manche Häftlinge dunkeln ihre Zelle mit Bettlaken ab. In der Zelle gibt es helles Neonlicht. Gemütlich ist anders.

Ein Einzelhaftraum in der JVA-Gelsenkirchen.
Ein Einzelhaftraum in der JVA Gelsenkirchen. Foto: Marisa Schräder

In der Zelle gibt es auch einen kleinen abgetrennten Bereich mit Toilette, Waschbecken und Spiegel. Diesen kann ich mit einer Schiebetür schließen, aber nicht verriegeln. Zum Duschen muss ich raus aus meiner Zelle in die Gemeinschaftsdusche.

Von außen kann immer ein JVA-Bediensteter durch den Spion in die Zelle schauen. Neben der Zellentür gibt es noch eine Sprechanlage. Darüber erhalten Häftlinge Anweisungen, was als Nächstes geschieht.

Der Boden ist grau und besteht aus PVC. Die Wände weiß gestrichen, aber das ist wohl schon eine Weile her. Es wirkt trist und steril. Ich schaue mich mehrfach um, fühle mich einsam und isoliert. Wie lange würde ich das wohl durchhalten?


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Viele Möglichkeiten zur Beschäftigung

JVA-Pressesprecherin Marisa Schräder erklärt mir aber: „Wenn Sie als Zugang kommen, dann normalerweise in einen Gemeinschaftshaftraum. Dort treffen Sie auf andere Gefangene, es gibt meist auch einen Fernseher. Wenn Sie auf einen Einzelhaftraum kommen, wie in diesem Fall, dann wird man schauen, dass man Ihnen ein Leih-TV oder wenigstens ein Radio zur Verfügung stellt.“

Nach einiger Zeit richtet jeder Häftling seine Zelle nach den eigenen Bedürfnissen ein. Im Folgenden kannst du einen bewohnten Einzelhaftraum sehen.

Bewohnter Einzelhaftraum in der JVA Gelsenkirchen.
Ein bewohnter Einzelhaftraum in der JVA Gelsenkirchen. Foto: Marisa Schräder

In der JVA Gelsenkirchen gibt es einige Möglichkeiten, sich zu beschäftigen. Häftlinge können sich Bücher ausleihen oder beim Sport anmelden, Briefe schreiben oder auch per Antrag um ein Gespräch mit dem Sozialdienst bitten. Des Weiteren kann jeder Häftling an der Freistunde teilnehmen oder den Umschluss zum Kontakt mit anderen Gefangenen nutzen. Ganz wichtig: Jeder Häftling ist dazu verpflichtet, zur Arbeit zugehen. Das alles sei Teil des Resozialisierungsprogramms, erklärt mir die Pressesprecherin.

Für mich endet mit diesen Eindrücken der Tag als Häftling, denn ich darf die JVA Gelsenkirchen am selben Tag noch als freier Mann verlassen. Im Gegensatz zu vielen anderen Häftlingen, die hier noch lange ihre Strafe absitzen müssen.