Es tropft von der Decke und dröhnt aus ramponierten Räumen: Idan Hayosh inszeniert den Untergang im Kunsthaus mit Lust an der kreativen Verunsicherung
Ist das Kunst oder schon ein Fall für den Klempner-Notdienst? Im Kunsthaus Essen tropft es derzeit jedenfalls bedenklich von der Decke, an der extra eingezogenen Seitenwand schimmern erste Schlieren in kunstvollem Schimmelgelb, und der Raum zur Rechten wird mit deckenhohen Stempeln abgestützt. „Untergang“ heißt vielsagend die Rauminstallation des aus Israel stammenden Künstlers Idan Hayosh, der das Kunsthaus an der Rübezahlstraße in den vergangenen Monaten regelrecht erobert, umgestaltet und wasserfest gemacht hat. Statt der schönen, aufgeräumten Kunstwelt inszeniert Hayosh ein suggestives Szenario, das den Besucher mit einem ebenso irritierenden wie faszinierenden Zustand des Kaputten und Bedrohlichen konfrontiert. Und spätestens in dem mit Sporthallen-Parkett ausgelegten Galerie-Raum wird man auch daran denken, dass in Turnhallen derzeit nicht nur Gutes von oben kommt.
Publikum im Scheinwerfergewitter
Die „Untergangs“-Präsentation ist einerseits die Fortsetzung einer langen Kunststipendiaten-Tradition und gleichzeitig ein Neuanfang. Nachdem die langjährige Unterstützung der Rotarier und anderer Sponsoren ausgelaufen war, wollte man das Residenz-Projekt nicht ganz aufgeben. Mit Unterstützung verschiedener Stiftungen konnte der Neuanfang gestemmt und mit Hayosh ein überzeugender Künstler für diese neue, sechsmonatige KHE-Residency gefunden werden.
Die Installation von Idan Hayosh wird am Sonntag, 6. September, um 16 Uhr im Kunsthaus Essen, Rübezahlstr. 33, eröffnet. Die Einführung hält Uwe Schramm.
Wegen des hohen technischen Aufwands ist die Ausstellung nicht wie sonst üblich geöffnet, sondern nur freitags bis sonntags von jeweils 15 bis 18 Uhr. Die Installation ist für den Ort gearbeitet und bis zum 11. Oktober in Essen zu sehen.
Denn der Mittdreißiger, der in seinen Installationen schon vielfach das Thema Energie und visuelle Überwältigung aufgenommen hat, bespielt die Räume nicht einfach im herkömmlichen Sinne, er stellt den Ausstellungsort auf eine echte Belastungsprobe, technisch und räumlich. Wochenlang hat Hayosh Leitungen verlegt und am Rhythmus der von der Decke fallenden Wasser-Tropfen getüftelt, die nun mit bedrohlichem Sound in löchrige Blecheimer prasseln und allmählich den Teppichboden durchnässen. Manche „Untergangs“-Vision musste am Ende wieder ad acta gelegt werden, weil sie das Kunsthaus wohl doch zu nachhaltig betroffen hätte. „Wir haben in den vergangenen Wochen viel drüber diskutiert, was möglich ist und was nicht“, erzählt Kunsthaus-Chef Uwe Schramm, der bei aller Begeisterung für Hayoshs kunstvolle Gratwanderung zwischen Aggression und Irritation langfristigen Raumeingriffen dann doch vorbauen wollte. Also wurde eine neue Wand eingezogen, ein saugstarker Untergrund ausgelegt und „Trocken-Tage“ anberaumt, an denen Hayoshs Installation nicht unter Wasser steht. Darüber flackern nun nervös zuckende Deckenleuchten, die nur ein Vorgeschmack sind auf den Lichtraum, der die Besucher mit gleißendem Licht und dröhnendem Scheinwerfergewitter begrüßt, die wie Maschinengewehrsalven auf Netzhaut und Trommelfelle niederprasseln, ein Verweis auf die religiösen Konflikte und militärischen Auseinandersetzungen seiner Heimat. Hayosh, der heute in Berlin lebt, erweist sich dabei als Könner einer kreativen Verunsicherungsstrategie, der sich der Zuschauer nur schwerlich entziehen kann.