Das Essener Bürgerbündnis will sich nicht mit Schultoiletten aufhalten, sondern weiter auf die großen Fragen der Stadtpolitik setzen: Haushaltsdisziplin, Sparen bei den Stadttöchtern, Asyldebatte.
Essen.
Eigentlich sei es „intellektuell unterfordernd“, einen Wahlkampf um Schultoiletten zu führen, meint Udo Bayer. Aber dann juckt es den temperamentvollen Fraktionschef des Essener Bürgerbündnisses jüngst auf Nachfrage doch, etwas zur Kampagne von CDU und SPD anzumerken: Es sei „eine seltsame Pädagogik“, wenn man wie die CDU dem „erneuern statt scheuern“ versiffter Toiletten das Wort rede. „Eltern müssen ihre Kinder so erziehen, dass die Toiletten gar nicht so extrem verschmutzt werden.“
Nun muss man befürchten, dass sich nicht alle Eltern vom Bürgerbündnis in die Pflicht nehmen lassen, insofern die Klos dann eben noch lange schmutzig blieben. Doch die etwas trotzige Aussage Bayers kann als typisch gelten: Das EBB sieht sich als Vereinigung der praktischen Vernunft und der bürgerlichen Eigenverantwortung, als Hüter des Sparkurses bei der Stadtverwaltung, als Gegner von Parteien, die einen betont sozialpolitischen und staatsnahen Kurs führen und dabei gerne tief in den Steuertopf griffen. Frontmann Bayer sieht am 25. Mai eine „Schicksalswahl“ herannahen, bei der es darum gehe „Rot-Rot-Grün“ zu verhindern.
Wahlziel fünf Prozent plus x
Als kleinste der vier Parteien des Viererbündnisses hat sich das EBB vor allem dank der rhetorischen Präsenz des früheren SPD-Kommunalpolitikers und Schuldezernenten Udo Bayer in Szene gesetzt und will am 25. Mai „fünf Prozent plus x“ erreichen. Das klingt wenig, doch in einem Land wie NRW, das im Gegensatz etwa zu Süddeutschland kommunalpolitisch stark von Parteien dominiert wird, ist das ein allemal realistisches Ziel. 2009 erhielt das EBB 4,2 Prozent der Stimmen.
Viele EBB’ler haben es in ihrem politischen Leben schon einmal mit anderen Parteien versucht. Den harten Kern bilden seit jeher konservative Sozialdemokraten, die in der Nowack-Ära aus der SPD gedrängt wurden oder sie verließen. Es sind daher eher harte wirtschaftsorientierte Themen, die dem EBB behagen: Die schlanke Stadt will man auf die Stadttöchter erweitert sehen, dort auch „Filz und Parteibuchwirtschaft“ bekämpfen. Es gelte „endlich Aufgabenkritik zu betreiben“ und ab 2020 eine Schuldenbremse in den Haushalt zu installieren. Ein Lieblingsthema ist die wie betoniert wirkende hohe Langzeitarbeitslosigkeit, wobei Bayer das Jobcenter in Verdacht hat, das „Fordern“ nicht so ernst zu nehmen wie es seiner Ansicht nach nötig wäre.
Zuwanderer sind dem EBB willkommen, aber qualifiziert sollen sie sein, was allerdings nicht in Essen entschieden wird. 50 Millionen Euro für neue Asyl-Heime erscheinen Bayer als zu hoch. „Was uns die Verwaltung da vorgelegt hat, ist hanebüchen.“ Bayer will das Asyl-Thema „nicht tabuisieren, sondern vor der Wahl debattieren“. Schließlich bekennt sich das EBB zum A 52-Weiterbau und zur Ausweisung von weiteren Wohnbauflächen.
Liberal-konservative Flanke unter den Ratsfraktionen
Das Bürgerbündnis bildet so etwas wie die liberal-konservative Flanke unter den Ratsfraktionen, eine politische Richtung, die in der CDU inzwischen marginalisiert ist. Insofern besetzte man in Essen eine politische Marktlücke. Sorgen machen muss sich das EBB aber nun wegen einer neuen Konkurrenz, die erstmals bei der Kommunalwahl antritt: der Alternative für Deutschland (AfD). EBB-Fraktionschef Udo Bayer grenzt sich zwar betont deutlich gegen „Rechts“ ab, dennoch dürfte die AfD teilweise im Wählerpotenzial der EBB wildern.
Im Viererbündnis bildeten EBB und Grüne die Pole, und es ist erstaunlich, dass man es so lange miteinander ausgehalten hat. Seit dem Bürgerentscheid zur Messe ist es mit dem Kuschelkurs indes vorbei. Bayer hieb auf die Grünen ein und hielt der Messe die Stange – trotz einiger Bedenken. Schließlich hat auch diese Stadttochter in puncto Finanzeffizienz und Parteibuchwirtschaft nicht den besten Ruf. Bei der Frage, mit wem er sich nach der Wahl eine Zusammenarbeit vorstellen kann, nennt Bayer zwar CDU und SPD, sagt aber offen: „Mit dem linken Flügel der SPD gibt es keine Gemeinsamkeit.“ Das Bürgerbündnis wird nach dem 25. Mai also wohl erneut die Nähe der CDU suchen müssen, wenn es mitgestalten will.
Öffentlicher Dienst dominiert nicht
Stolz ist Bayer, selbst Pensionär, auf eine Truppe, in der es relativ viele Selbstständige gibt und in der der öffentliche Dienst nicht so stark dominiert wie sonst in Parteien. Der Typus des heimlichen Berufspolitikers ist beim EBB, soweit bekannt, nicht dabei. Das kann ein Vorteil sein, muss aber natürlich nicht.