Abriss von Duisburger Thyssen-Krupp-Hochofen weckt Emotionen
Über 35 Jahre lang war der Hochofen 4 bei Thyssen-Krupp in Bruckhausen der Arbeitsplatz für eine ganze Schar an Mitarbeitern. Nun wird der Koloss abgerissen. Für die Bauarbeiter ist der „Rückbau“ Routine – doch die „Kruppler“ blicken wehmütig auf ihren einstigen Arbeitsort.
Duisburg.
Ein Gigant verschwindet. Jeden Tag ein Stückchen mehr. 85 Meter ragte Hochofen 4 auf dem Werksgelände von Thyssen-Krupp einst in den Himmel über Bruckhausen, nun ist der Koloss bereits um 20 Meter geschrumpft. Zwei Spezialkräne tragen Tag für Tag – soweit es das Wetter zulässt – tonnenschwere Teile ab. Ein rund 40-köpfiges Team leistet unterstützende Handarbeit. „Rückbau“ heißt das in der Sprache des Stahlkonzerns. „Abriss“ nennen es die Freunde dieser bröckelnden Landmarke. Für viele Beschäftigte und Anwohner des Stadtteils war Hochofen 4 stets ein identitätsstiftendes Symbol, ein Stück Heimat. Doch im Zustand fortschreitender Demontage verliert der Stahlkoloss seine ehrfurchteinflößende Erscheinung. Jeden Tag ein Stückchen mehr.
„Das ist echte Wertarbeit“, sagt Friedhelm Conrad voller Anerkennung in der Stimme mit Blick auf Hochofen 4. „Der wäre im Leben nicht umgefallen.“ Er muss es wissen. Der 54-jährige Neumühler gilt als Experte auf seinem Gebiet. „Das ist mein fünfter Hochofen“, sagt der Objektleiter Rückbau. Ach ja: Eine Erzverladebrücke in Schwelgern hat er auch schon demontiert.
Hochofen wurde 1975 angeblasen
In das öffentliche Klagen über den Verlust eines Wahrzeichens will er aber nicht einstimmen: „Ich kann es langsam nicht mehr hören.“ Es sei von der Konzernleitung entschieden worden, dass das Großaggregat wegkommen und an seiner Stelle vorerst eine Brachfläche auf dem Werksgelände entstehen soll. Conrad akzeptiert das.
Für Volker van Outvorst (46) ist das schon eine emotionalere Angelegenheit. Der gelernte Verfahrensmechaniker – inzwischen zum Betriebsleiter befördert – arbeitet seit fast 30 Jahren für Thyssen-Krupp. Die meiste Zeit davon an besagtem Hochofen 4. „Natürlich ist jetzt etwas Wehmut mit dabei. Mir hat der letzte Abstich aber viel mehr wehgetan. Das war ein echter Stich ins Herz“, erinnert sich van Outvorst noch genau an den 19. Mai 2008 – jenem Tag, an dem die Produktion an dem 1975 angeblasenen Hochofen eingestellt wurde.
Bei einem Hochofen-Abriss sind auch Schadstoff-Rückstände immer ein wichtiges Thema. „In gewissen Anlageteilen mussten oder müssen wir noch Asbest beseitigen“, erklärt Friedhelm Conrad. Das geschehe ausschließlich mit der vorgeschriebenen Sicherheitsausrüstung – Vollmaske inklusive. Die übrigen Wertstoffe wie die feuerfesten Steine sollen aufbereitet so weit wie möglich weiterverarbeitet werden.
Im Juli soll alles fertig sein
Der Wind pfeift ebenso eisig wie böig über das Werksgelände. Deswegen stehen die beiden Kräne still, so verlangt es die Arbeitssicherheit. Um diesen Bereich kümmert sich bei Thyssen-Krupp auch Carolus van den Berk. Er begleitet die Baustellen-Besichtigungsgruppe beim Annäherungsversuch an das stählerne Gebilde. Hat jeden Schritt, jedes kreuzende Gleis und jeden abgestellten, mit glühendem Roheisen gefüllten Eisenbahnwaggon genau im Blick. Ab einem gewissen Punkt gebietet er Einhalt. Diese Grenze darf nicht überschritten werden.
Doch auch von hier – aus vielleicht 50 Metern Entfernung – ist genau zu sehen, wie Hochofen 4 auch von innen schon auseinandergenommen wird. Da liegen Schrottberge, dort werden Trümmer von Baggern in Container verladen. Ein Bild des minutiös geplanten Zerfalls. Im Juli soll alles fertig sein, sagt Erik Walner aus der Kommunikationsabteilung. Wie teuer der Rückbau ist, verrät er trotz Nachhakens nicht. Ein Gigant verschwindet. Jeden Tag ein Stückchen mehr.