Gewalt, Bedrohung, Rassismus, Propaganda: Unverhohlen gehen Rechtsextreme und die Partei „Die Rechte“ in NRW gegen Demokratie und Freiheit vor. Der Verfassungsschutz sieht die Gefahr, dass in der Szene Terrorzellen entstehen können.
Dortmund.
„Wir beobachten das Umfeld dieser Partei genau“, sagte der Chef des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier, im Gespräch mit unserer Redaktion. Die rechtsextreme Partei selbst bilde derzeit keine Terrorstrukturen. Allerdings könnten im Umfeld des harten Kerns ideologisch gefestigte „Kleinstzellen“ entstehen, die terroristische Ziele im Blick haben und Gewalt als Mittel zum Zweck ansehen könnten. Freier: „Wir sehen die Gefahr, dass so etwas geschieht. Das Umfeld müssen wir deshalb so gut beobachten wie ‚Die Rechte‘.“ Die Dortmunder Polizei verstärkt deshalb ihren Staatsschutz. Eine neue und auch verdeckt arbeitende Einheit soll Gefahren frühzeitig erkennen und die Risiken genau einschätzen können.
3500 Rechtsextremisten in NRW im Blick
Sicherheitsbehörden haben aktuell 3500 Rechtsextremisten in NRW im Blick. Die Zahl der Gewalttaten steigt seit 2005 an. Manche Neonazis nehmen an Waffentrainings im Ausland teil. In der Szene spielt „Die Rechte“ in Dortmund eine wichtige Rolle. Die Westfalenmetropole sei laut Verfassungsschutz keine Rechtsextremismus-Hauptstadt, aber ein „strategisches Zentrum“. Für Freier steht fest: „Die Rechte ist weniger eine Partei. Sie ist eine Neonazigruppe, die den Parteienstatus wie ein Schutzschild gegen staatliche Repressionen vor sich herträgt.“ Ein Verbot ist schwierig. Im Auftrag des NRW-Innenministeriums prüft ein Gutachter, ob und wie ein Verbot aufgebaut sein müsse.
Ein Neonazi während einer NPD-Demonstration in Dortmund. Foto: Peter Bandermann
Die aus etwa 80 Mitgliedern bestehende Dortmunder Neonaziszene ist in der Region und bundesweit gut vernetzt. Verbindungen bestehen auch zur NPD. Kontakte zwischen Mitgliedern der Szene gab es auch zum Thüringer Heimatschutz, in dem die NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos aktiv waren. Der Vorstand des Kreisverbandes in Unna nimmt immer wieder an Demonstrationen in Dortmund teil. Bei einem Vorstandsmitglied sind 2012 Waffen sichergestellt worden.
„Weit weg von der alten Säufergeneration“
Der im September 2012 nur wenige Wochen nach dem Verbot des verfassungsfeindlichen „Nationalen Widerstands Dortmund“ gegründete Landesverband NRW der Partei „Die Rechte“ radikalisiert sich mit seinen Unterorganisationen. Unübersehbar. Mitglieder verstecken sich mit ihren menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Positionen nicht. „Aktionen gerade der Partei ‚Die Rechte‘ zeichnen sich aus durch eine Wesensverwandtschaft mit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP)“, sagt Burkhard Freier, Leiter des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes. Dr. Stefan Mühlhofer vom Dortmunder Stadtarchiv erkennt eine „einhundertprozentige Anlehnung“ an die Sturmabteilung (SA) der verbotenen NSDAP. „Die sind weit weg von der alten Säufergeneration. Das offene Kokettieren mit der NSDAP hat System“, sagt Georg Steinert vom Staatsschutz-Kommissariat der Polizei über die Nazi-Szene in Dortmund und umliegenden Städten.
„Gewalt als gängiges Mittel der Auseinandersetzung“
Die Inszenierung eines uniformierten „Rechten Stadtschutzes“, die Gewalt gegen politische Gegner als ein „gängiges Mittel der politischen Auseinandersetzung“, der Hass auf Juden, Flüchtlinge, Roma und Behinderte sowie die konsequente Arbeit mit dem „Volksverräter“-Begriff sind laut Dr. Stefan Mühlhofer die unverkennbaren Bezüge zum früheren Nationalsozialismus. „Sie sind Nationalsozialisten“, sagt der Historiker und Leiter der Dortmund Mahn- und Gedenkstätte „Steinwache“ über „Die Rechte“. Burkhard Freier über die Methoden der Partei und ihrer Sympathisanten: „Aufheizen, einschüchtern und provozieren – das ist exakt die Machart in der Zeit vor 1933. Sie drohen mit subtilen Mitteln unterhalb der Strafbarkeitsgrenze.“
Drei Beispiele für das radikale Auftreten
Wie offen die Szene gegen Demokratie und Freiheit auftritt, zeigen diese drei öffentlich im Internet oder auf der Straße getroffenen Aussagen von Neonazis:
- Während einer Demonstration am 3. Oktober 2015 in Hamm sagte ein Redner, nachdem er die „etablierten Volksbetrüger“ als Verantwortliche für „Asylmissbrauch“ und „sozialen Raubbau“ benannt hatte: „Es ist unser Auftrag, das volksfeindliche Regime zu liquidieren.“
- Während einer Rede auf einer Demonstration am 7. September 2015 gegen Flüchtlingsunterstützer in Dortmund sagte Christoph Drewer, Mitglied im Bundesvorstand der Partei „Die Rechte“: „Ich hoffe (…), dass die Männer unter euch brutal zusammengeschlagen und ausgeraubt werden. Und den Frauen unter euch wünsche ich dazu noch eine Vergewaltigung von den Asylbetrügern.“
- Im Internet schreibt Dennis Giemsch, einer der führenden Köpfe in der Dortmunder Nazi-Szene: „Dem Widerstand bleibt (…) gar keine andere Möglichkeit, als sich zu radikalisieren.“
Der 1. Kriminalhauptkommissar Georg Steinert vom Staatsschutz der Dortmunder Polizei erkennt in Giemschs Aussage den Versuch einer „ethischen Begründung für alles das, was jetzt kommen wird“. Mit dieser „Schuldverschiebung“ werde die Gesellschaft für ein zwangsläufig noch radikaleres Auftreten zur Verantwortung gezogen. Steinert: „Die machen sich damit frei von einer Hemmschwelle. Um da hinzukommen, muss man einen Prozess durchleben“, sagt der Kriminalbeamte mit Blick auf die Entwicklungen in den vergangenen Jahren. Und er warnt: „Wenn ich das weiterdenke, dann haben wir morgen einen neuen Gewaltbegriff gegen Sachen und Übergriffe gegen Personen. Wir müssen da genau hinsehen.“
„Aus dem sozialen Umfeld herausoperiert“
„Neueinsteiger werden aus dem sozialen Umfeld herausoperiert und mit einem Rund-um-die-Uhr-Betreuer in das soziale Umfeld der Rechten reinoperiert. Uns fehlen in Dortmund praktische Ansätze für den Ausstieg“, analysiert der Kriminalbeamte Georg Steinert. Staatliche Repression helfe allein nicht weiter. Jutta Reiter vom Arbeitskreis „Dortmund gegen Rechtsextremismus“ und Polizeipräsident Gregor Lange fordern deshalb lokale Ausstiegs-Angebote für Neonazis. „Dazu braucht es Expertise. Die haben wir in Dortmund nicht“, stellt Jutta Reiter fest. Notwendig sei ein professionelles lokales Angebot, weil die Neonaziszene zurzeit unter großem Druck stehe. Polizeipräsident Gregor Lange: „Wer dauerhaft Repressionsdruck aufbaut, sollte wissen, dass es irgendwann ein Ventil geben muss. Der Druck muss sich anders entladen können als durch Radikalisierung.“ Über Ausstiegs-Angebote könnten Radikalisierungen verhindert werden.
Mühsamer und notwendiger Widerstand
Vor einer Verharmlosung der Neonazis warnt Ula Richter vom 2000 gegründeten „Bündnis Dortmund gegen Rechts“, obwohl die Extremisten in der Stadt nicht Fuß fassen. „Die Szene in Dortmund ist hartnäckig und tief verwurzelt. Und sie ist außerordentlich gefährlich.“ Ula Richter fordert ein Verbot – denn: „Das ist keine Partei, sondern eine Tarnorganisation.“ Dortmund müsse Widerstand zeigen. Das sei „mühsam, aber nötig.“
In der Neonazi-Szene gibt es Diskussionen über Sinn und Zweck von Demonstrationen, weil der Anschluss an die Gesellschaft in Dortmund mit solchen Protestaktionen ebenso wenig gelingt wie die konstruktive Mitarbeit in den demokratischen Kommunalparlamenten. Für einen ihrer Wortführer, Dennis Giemsch, ist die Radikalisierung ein konsequenter Schritt. Ein Schritt, den auch die Nationalsozialisten vor und ab 1933 gegangen sind. Dr. Stefan Mühlhofer: „Einen Zivilisationsbruch wie ab 1933 hat den Deutschen niemand zugetraut. Wir müssen also aufmerksam sein.“
2015-10-23 02:35:00.0