„Frauen müssen heute gleichberechtigt in der Gesellschaft wirken können, sie wollen nicht mehr das fünfte Rad am Wagen sein“, erklärte Franz Müntefering ausgerechnet vor einem verschworenen Männerbund: den Dortmunder Freimaurern.
Dortmund.
Das ist die Zukunftsfrage: „Welche Rolle weisen wir Frauen in unserer Gesellschaft künftig zu?“ Franz Müntefering stellt sie an diesem Samstag in das Atrium des Harenberg City-Centers und gibt auch gleich eine Antwort darauf: „Frauen müssen heute gleichberechtigt in der Gesellschaft wirken können, sie wollen nicht mehr das fünfte Rad am Wagen sein“, erklärt der SPD-Bundestagsabgeordnete auf dem Neujahrsempfang der Freimaurer-Loge Zur alten Linde Dortmund.
Dass der ehemalige SPD-Bundesvorsitzende, Vizekanzler und Bundesarbeitsminister diese Kritik vor der Männerloge vorträgt, bei der die Frauen im Gästeraum sitzen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Der gebürtige Sauerländer hält das für eine Angelegenheit der Freimaurer intern. Er lobt stattdessen ihre Grundmentalität des selbstverantwortlichen Handelns. Mit seinen sowohl fundierten als auch dramaturgisch pointierten Analysen rund um Demografischen Wandel, Fachkräftemangel, Multikulturalität und regionale Vernetzung begeistert Müntefering die rund 350 Gäste. Der Politiker, der laut den Logenmitgliedern statt eines Rednerhonorars „ein Pils im Anschluss an die Veranstaltung“ gefordert haben soll, trifft mit seinen Anekdoten den Nerv. Er spiegelt den kritischen Geist wider, den die 130 Logenmitglieder für sich beanspruchen.
Niedriglohnjobs dürfen für Frauen nicht zur Regel werden
Der SPD-Politiker macht für die Probleme der Altersarmut und des Fachkräftemangels unter anderem eine Lösung aus: Man müsse die heimischen Ressourcen besser nutzen, die gut ausgebildeten Frauen in dauerhafte, ausreichend entlohnte Beschäftigung bringen. „Hier muss sich die gesellschaftliche Mentalität grundlegend ändern, damit Niedriglohnjobs für Frauen nicht die Regel werden!“ Applaus.
„Wir folgen der Tradition der Aufklärung und dabei gibt es sehr große ideelle Überschneidungen mit der Sozialdemokratie“, sagt Friedrich Fuß. Der Bezirksbürgermeister Innenstadt-West übernimmt am Rande des Empfangs die Rolle des Sprechers der Loge und erklärt, weshalb ein Politiker die Neujahrsrede der Freimaurer hält, die eigentlich konfessionell und überparteilich, vielleicht sogar unpolitisch orientiert sind.
Freimaurer verstehen sich als loser Verbund, der keine gemeinsamen politischen oder gesellschaftlichen Forderungen über die der Humanität und Toleranz hinaus formuliert. Die Mitglieder sollen sich in den wöchentlichen Treffen der Loge nur austauschen und Rückendeckung, Kraft oder Zuspruch für eigene Aktivitäten einholen können. In Dortmund verläuft das noch getrennt, Deutschlands größte Loge Zur alten Linde ist über ihre 157-jährige Geschichte eine reine Männerloge geblieben, erst seit 2002 besteht das rein weibliche Pendant namens Rosengarten.
Eine Frage der Tradition
„Die Trennung hat mit unseren Traditionen zu tun, die britischen Logen, wo die Freimaurerei ursprünglich herkommt, akzeptieren keine Frauen in den Logen“, erklärt Günther Ziethoff, Meister vom Stuhl, was so viel wie der Vorsitz der Loge ist.
„Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass die Frauen auch eher in einem geschützten Raum arbeiten wollen – bei uns arbeitet ja jeder ohnehin an sich selbst“, sagt Ziethoff. Man tausche sich in unregelmäßigen Treffen aus.