Es war ein Demo-Marathon, wie ihn Dortmund seit Jahren nicht mehr erlebt hat. Unsere Fotografen haben am Samstag das Geschehen auf den Straßen dokumentiert – von den Gegendemonstrationen in der City über die Nazi-Demo im Saarlandstraßenviertel bis hin zu den Ausschreitungen beim Gedenkmarsch der Nazigegner.
Dortmund.
Der Demo-Tag beginnt mit einer Überraschung: Die Polizei gibt bekannt, dass die Neonazis im Saarlandstraßenviertel demonstrieren werden und nicht – wie vermutet – im Dortmunder Westen. Die Polizei, die dieses Mal die Lager der Neonazis und der Gegen-Demonstranten strikt voneinander trennen will, hatte über den Kundgebungsort der Neonazis ein großes Geheimnis gemacht. Doch als sie am Morgen auf dem Platz südlich der S-Bahn-Station Stadthaus, auf der Hainallee und der Markgrafenstraße Wasserwerfer, Absperrungen und schwere Einsatzfahrzeuge aufstellt, ist klar: Das ist der Kundgebungsort.
Dass sie plötzlich im Zentrum eines Neonazi-Aufmarschs stehen, überrascht viele Anwohner des Saarlandstraßenviertels. Sie stehen auf einmal vor zahlreichen Absperrungen. Die Einsatzkräfte warten derweil auf die Ankunft der Rechtsextremen. Sie ist für 13 Uhr geplant.
Gegen 10.30 Uhr versammeln sich rund 400 Gegendemonstranten an der U-Bahn-Station Kampstraße. In ihr wurde vor genau zehn Jahren der Punker Thomas Schulz von einem Neonazi erstochen. Der zehnte Todestag ist Auslöser des Demo-Marathons, den Dortmund an diesem Samstag erlebt. Die Gegen-Demonstranten, zu denen auch Linksautonome gehören, versuchen, zur bekanntgewordenen Demo-Route der Neonazis zu gehen. Die Polizei stoppt sie schon nach wenigen hundert Metern auf der Kampstraße. Nur einigen wenigen gelingt der Durchbruch.
Einigen gelingt es, sich in Richtung S-Bahn-Station Stadthaus durchzuschlagen. Dort wird auch ein Transporter angegriffen, in dem Neonazis gesessen haben sollen. Der Polizei gelingt es jedoch, die Gegendemonstranten vom Kundgebungsort der Neonazis fernzuhalten.
Am Mittag kommen hunderte Rechtsextreme am Hauptbahnhof an. Von dort wollen sie mit der Stadtbahn zum Stadthaus fahren. Doch die Polizei hat eine Überraschung für sie auf Lager. Alle müssen einen Alkoholtest machen. Wer getrunken hat, darf nicht mitfahren.
Derweil gedenkt das Bündnis „Dortmund gegen Rechts“ ab 13 Uhr dem getöteten Thomas Schulz. 200 Menschen sind dabei, als an einer vorläufigen Gedenktafel für Schulz Rosen abgelegt werden. Eine echte Tafel soll bald gebaut werden.
Zur gleichen Zeit setzt sich am Ostwall ein besonderer Trauermarsch mit 250 Teilnehmern in Bewegung. Der Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus startet einen Sternmarsch, der an die durch Neonazis verübten Gräueltaten erinnern soll. Die Teilnehmer tragen symbolische Särge, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern sollen. Er führt sie auch zum Ort der Neonazi-Demonstration, wo sie in hundert Metern Entfernung still gegen die Nazi-Gräuel demonstrieren.
Gegen 14 Uhr nehmen knapp 700 Rechtsextreme Aufstellung – bedeutend weniger, als von der Polizei erwartet. Die hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ein Aufeinandertreffen der verfeindeten Lager zu verhindern. Dafür hat sie das Saarlandstraßenviertel abgeriegelt. Die Folge ist ein Verkehrschaos. Dafür kommen die Neonazis ohne besondere Vorkommnisse eine gute Stunde später nach einem Marsch durch das leere Quartier bei ihrem zweiten Kundgebungsort an – dem Parkplatz an den Westfalenhallen, wo sie ein Rechtsrock-Konzert „feiern“. Doch schnell verschwinden die ersten Rechtsradikalen wieder.
Im Dorstfelder Zentrum – wo die Neonazis ursprünglich hin wollten – feiert die Bürgerschaft währenddessen ein Friedensfest mit dem schönen Titel „Nie wieder blöd“.
Die größte demo des Tages startet kurze Zeit später am S-Bahnhof Dorstfeld. Rund 1500 Nazi-Gegner machen sich bei einem Gedenkmarsch zu Ehren von Thomas Schulz auf den Weg in Richtung City. Weil fünfmal mehr Menschen kommen als ursprünglich angemeldet verwehrt die Polizei den Demonstranten, durch das Ortszentrum von Dorstfeld zu ziehen. Das sorgt für Unmut, einzelne Böller fliegen.
Am Westentor gibt es dann gegen 16.15 Uhr unschöne Szenen. Es fliegen wieder Böller. Es gibt mehrere Festnahmen. Die Antifa-Demo wird für beendet erklärt. Es dauert jedoch bis kurz vor 18 Uhr, bis die letzten Demonstranten gegangen sind. So lange ist auch der Wall gesperrt.
Es bleibt der größte Zwischenfall des ansonsten relativ ruhigen Demo-Marathons in Dortmunds. Das Rechtsrock-Konzert auf dem menschenleeren Parkplatz-Gelände am Remydamm schleppt sich noch bis 20 Uhr durch. Als es endet, sind nur noch 20 Neonazis da.
Wir haben den Demo-Samstag den ganzen Tag über mit einem Liveticker begleitet. Viele Videos und noch mehr Bilder finden Sie in unserem Minutenprotokoll:
2015-03-28 22:54:00.0