NRWs Stromkunden fördern über die Öko-Umlage bayerische Solar-Bauern und norddeutsche Windanlagen. Deutlich weniger Geld fließt dabei zurück.
Essen.
In Sachen Energie spielt Nordrhein-Westfalen von jeher eine Sonderrolle in Deutschland. Das einwohnerstärkste Bundesland ist nicht nur als Produzent Energieland Nummer eins, sondern auch der mit Abstand größte Stromverbraucher der Republik. Rund ein Viertel der deutschen Elektrizität kommt aus NRW-Steckdosen. Die Bayern als zweitgrößte Verbraucher kommen auf nur 16 Prozent.
Doch die Energiewende wirbelt die seit Jahrzehnten bestehende Rangfolge komplett durcheinander. Der Vorrang für Wind- und Solarenergie bevorzugt Bundesländer mit großen, freien Flächen und günstigen Wind- und Sonnenverhältnissen. Insbesondere Bayern und Niedersachsen sind die Profiteure der Entwicklung. NRW dagegen findet sich mehr und mehr in der Verliererrolle wieder. Rund 3,1 Milliarden Euro flossen 2014 aus NRW unterm Strich ins Fördersystem der erneuerbaren Energie, über die sogenannte EEG-Umlage aufgebracht von Stromkunden an Rhein und Ruhr. Nach Berechnungen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft ist der Mittelabfluss allein seit 2012 um 1,8 Milliarden Euro angewachsen, teilweise begründet in der 2014 um knapp einen Cent pro Kilowattstunde erhöhten EEG-Abgabe.
Stromkunden im Ruhrgebiet subventionieren bayerische Solaranlagen
Gerade das Ruhrgebiet mit seiner für Wind- und Solaranlagen ungünstigen Siedlungsstruktur steht unter Spannung. Einer Umfrage dieser Zeitung unter Revier-Stadtwerken zufolge subventionieren Stromkunden im Ruhrgebiet die Solaranlagen bayerischer Landwirte oder norddeutsche Windkraftanlagen indirekt mit jährlich mehreren Hundert Millionen Euro.
So haben Bochumer Bürger nach Angaben der örtlichen Stadtwerke über ihre Stromrechnung im vorletzten Jahr rund 78 Millionen Euro an EEG-Umlage gezahlt. Im gleichen Zeitraum floss Einspeisevergütung nach dem EEG von lediglich rund 6,5 Millionen Euro nach Bochum zurück. Dortmunder Stromkunden brachten im selben Jahr 120 Millionen Euro für die Förderung der Erneuerbaren auf. Dortmunder Solardachbetreiber und andere Ökoverstromer erhielten dagegen nur 14 Millionen Euro. Im Saldo hat die frühere Montan-Metropole somit den Aufbau der Wind- und Solarkraft andernorts mit über 100 Millionen gefördert. Auch Gelsenkirchen, Gladbeck und Bottrop gehören zu den Zahlmeistern des Öko-System. Nach vorläufigen Berechnungen der Emscher Lippe Energie GmbH (ELE) flossen aus allen drei Städten 2015 insgesamt über 90 Millionen Euro in den bundesweiten EEG-Topf. Zurück erhielt die Drei-Städte-Region nur 22 Millionen Euro.
„Die Kosten sind ungleich verteilt“
„Die Kosten der Energiewende sind ungleich verteilt“, ärgert sich Frank Brinkmann, Chef des Dortmunder Versorgers DEW21. Das Ruhrgebiet zahle für den Norden und den Süden. Das System funktioniere wie ein verkappter zweiter Finanzausgleich unter den Bundesländern. Auch Dietmar Spohn, Chef der Stadtwerke Bochum, steht deswegen unter Strom: „Früher hat sich Bayern beim Kohlepfennig geziert, heute subventionieren die Stromkunden in Nordrhein-Westfalen in hohem Maße Investitionen in Süddeutschland.“ NRW drohe zum Verlierer der Energiewende zu werden, fürchtet Spohn. Es ist dringend geboten, das EEG weiter zu reformieren.
Reformen hält auch der Verband kommunaler Unternehmen VKU für unerlässlich. Die Diskussion um die regionale Verteilung der EEG-Zahlungsströme zeige, wie wichtig es sei, den Ausbau der erneuerbaren Energien auf das gesamte Bundesgebiet zu verteilen, sagte ein VKU-Sprecher. Das fördere die Akzeptanz des Systems.