Das Experiment ist gelungen. Rund 2500 Anhänger dieser neuen Bewegung trafen sich erstmals im Westpark und im Historischen Jahrmarkt.
Bochum.
Der Historische Jahrmarkt in der Jahrhunderthalle ist um eine Attraktion reicher: Das „Steampunk“-Festival feierte am Samstagabend mit 2500 Besuchern eine erfolgreiche Premiere im Westpark.
Steampunk: Das ist eine noch junge Subkultur, die sich anlehnt an die Science-Fiction-Visionen eines Jules Verne oder H.G. Wells. In ihren Romanen zeichneten die Schriftsteller das Bild einer Zukunft, wie sie zu Beginn des industriellen Zeitalters im 19. Jahrhundert greif- und vorstellbar erschien. Vor allem der Franzose Jules Verne war es, der mit Romanen wie „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ oder „20.000 Meilen unter dem Meer“ eine tollkühne, bis heute verstörend-faszinierende Fabelwelt erschuf: Die Technik wird von Dampfmaschinen dominiert, die Nutzung der Elektrizität steckt noch in den Kinderschuhen.
Wie sähe die dampf-betriebene Welt aus?
Die europaweite Steampunk-Bewegung knüpft an, wo Jules Verne endete. Wie sähe unsere Welt heute aus, wenn sich nicht die Elektrizität, sondern die Dampfkraft durchgesetzt hätte? „Diesen Gedanken leben und lieben wir. Wir sind gelebter Retro-Futurismus“, sagen Simone Gerigk (Szene-Name: Fox Glove) und Verena Partisch (Dusty Steampott), die das bislang größte deutsche Steampunk-Festival mit vorbereitet haben.
Die Resonanz übertraf alle Erwartungen. 2500 abenteuerlich gewandete Steampunk-Anhänger aus ganz Deutschland, Benelux, Österreich und England traten am Samstag die Zeitreise in der Jahrhunderthalle an. Die seriös dahinschreitenden Herren mit Zylinder, Flieger- und Schweißerbrille, die anmutigen Damen in opulenter, mitunter höchst freizügiger Garderobe im Stil des viktorianischen Zeitalters: Die Steampunks verstehen sich als Gegenbewegung zur Moderne. Sie zelebrieren die Ästhetik der Kolben, Bolzen und Zahnräder. Sie verachten die seelenlosen, rein funktionalen Oberflächen der Touchscreen-Computer. Statt im Netz zu surfen, wähnen sie sich an Bord der Nautilus, 20.000 Meilen unter dem Meer…
Organisatoren erfreut über das bunte Volk
„Fantastisch, welch buntes Völkchen hier zusammenkommt und friedlich und fröhlich feiert“, freuten sich Hallenchef Andreas Kuchajda und Schaustellerbund-Präsident Albert Ritter über den gelungenen Auftakt des Steampunk-Festivals, für das die Jahrhunderthalle die ideale Kulisse bildete – ebenso wie für die Rockabilly-Party „Rock’n’Roll anne Raupe“, die am Freitagabend über 1000 Fans von Elvis Presley & Co. in den Westpark lockte.
Mitsamt der drei Abend-Veranstaltungen (zum Auftakt vor zwei Wochen der „Pink Friday“ für Schwule und Lesben) verzeichnete der Historische Jahrmarkt einen erneuten Besucherrekord. Deutlich über 15.000 Gäste, so die ersten Schätzungen am Sonntag, schlenderten an den vergangenen drei Wochenenden über den Nostalgie-Rummel mit Original-Fahrgeschäften wie Raupe, Kettenflieger und Geisterbahn.
Der Jahrmarkt kehrt 2016 in die Jahrhunderthalle zurück – und sicher auch das Steampunk-Festival, das bei der Historischen Kirmes eine Heimstatt finden soll.