Das kann doch einfach nicht wahr sein, denkt sich Schulleiterin Sarah Lichtenberger von der Web-Individualschule in Bochum. Die Schule ermöglicht körperlich und psychisch erkrankten Schülern den digitalen Unterricht. Per Videochat können hier Kinder aus ganz Deutschland teilnehmen und auch ihren Abschluss machen, was in einer ganz normalen Schule daheim nicht möglich wäre.
Doch genau dabei legt der Regierungsbezirk Arnsberg der Fernschule nun Steine in den Weg. Der fordert, dass alle Schüler ihre Abschlussprüfungen in dem jeweiligen Bundesland absolvieren, indem sie wohnen. Die Begründung dafür lautet, dass die Schule mittlerweile zu viele Prüflinge habe, um wie bisher zu verfahren. Für die Schule in Bochum ist das die absolute Katastrophe. Denn wie soll das funktionieren?
Bochumer Schulleiterin: „Inklusion hört doch nicht an der NRW-Grenze auf“
Schulleiterin Sarah Lichtenberger ist fassungslos. „Über 20 Jahre haben wir nach dem NRW-Plan geschult und geprüft und jetzt sagt die Regierung auf einmal‚ bis hierhin und nicht weiter, das ist uns zu viel Arbeit.‘“ Nun stehen die Prüfungen der Abschlussklasse der Web-Individualschule auf der Kippe.
Das einzigartige Konzept der Fernschule ermöglicht es Schülern, die im normalen Schulsystem nicht klarkommen, per Fernunterricht trotzdem noch ihre Prüfungen zu schreiben. „Das ist eine Riesen-Chance für sie und ihre Eingliederung in die Gesellschaft“, weiß Schulleiterin Sarah Lichtenberger. Und genau diese wird den Kindern nun genommen, wie sie gegenüber DER WESTEN kritisiert.
Für sie sei es absolut keine Option, die Prüfung plötzlich in einem fremden Klassenzimmer mit fremden Schülern und Lehrern zu absolvieren. Und das alles auch noch ohne Betreuung. „Inklusion und Digitalisierung hören doch nicht an der Landesgrenze auf“, beschwert sich die Schulleiterin. Sie kann die Entscheidung der Regierung nicht nachvollziehen und fürchtet nun um die Zukunft ihrer Schützlinge.
Schulleiterin fordert „Kompromiss im Sinne der Kinder“
„Wir sind eine kleine Einrichtung, die lautstark für die Kinder kämpft, weil sie selber keine Stimme haben“, bedauert Lichtenberger. Schon jetzt seien einige Schüler aus Angst von den Prüfungen zurückgetreten. Nun macht sich die Schulleiterin Sorgen, dass das Sozialamt die Unterstützung beendet. „Es braucht nicht viel Vorstellungskraft, sich auszumalen, was dann aus diesen Kindern wird. Gäbe es uns nicht, wäre das für die Kinder ein Harzt-4-Programm“, ist sie sich sicher.
Darum will sie nun Aufmerksamkeit für das Problem schaffen. „Ich muss für die Kinder laut sein. Darum fordere ich die Regierung dazu auf, einen Kompromiss im Sinne der Kinder zu finden.“
Lösung für Bochumer Schule in Sicht?
Vor allem der Zeitpunkt dieser Hiobsbotschaft von der Regierung kommt Lichtenberger äußerst ungelegen. „Man kann doch nicht einfach mitten in einem laufenden Jahrgang so umswitchen.“ Was nütze die Anerkennung als Fernschule, wenn die entscheidende Prüfung doch wieder vor Ort stattfinden müsse?
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Das käme quasi einem Berufsverbot gleich, argumentiert die Schulleiterin. „Leider haben wir keinen Rechtsanspruch auf eine Prüfung in NRW.“ Auch habe sie bereits die unterschiedlichsten Lösungsvorschläge unterbreitet und wäre auch bereit, externe Räumlichkeiten in Bochum anzumieten und Prüfer zu engagieren. „Wir sind zu allen Kompromissen bereit.“ Doch mit jedem abgelehnten Vorschlag muss sie immer wieder merken: „Die wollen einfach nicht“.
Am Mittwoch (16. November) tagt nun der NRW-Schulausschuss über das Thema.