Liverpool.
Ein Raum. Dort, im Haus von Jürgen Klopp, komprimiert sich alles wohl am ehesten. Der Trainer hat sein neues Zuhause in Formby gefunden, einem Ort 20 Kilometer außerhalb von Liverpool, wo die Nachbarn Boote besitzen und Pools im Garten. Klopp hat da ein Haus gemietet, das einst Steven Gerrard, eine Vereinslegende des FC Liverpool, bauen ließ. Das Gebäude sieht auch einen riesigen Raum vor, der derzeit noch leer steht. Das, sagt Klopp, „ist das ehemalige Trophäenzimmer von Steven. Glücklicherweise hat er sie alle mitgenommen.“
Es ist nicht so, dass es Klopp, seiner Frau Ulla und Hund Emma ansonsten an Platz mangeln würde, aber vermutlich hilft es, nicht auch noch daheim an die Erfolge der Vergangenheit erinnert zu werden.
Es ist früh am Morgen, als Klopp auf dem Trainingsgelände des FC Liverpool in Melwood vorfährt. Seit vier Monaten ist er Trainer bei diesem Verein, der so groß, so berühmt ist. Anfield Road – eine weltbekannte Straße, ein weltbekanntes Stadion. Straßenschilder mit dieser Aufschrift gibt es kaum an den Ecken, sie werden immer wieder geklaut.
„Das einzige Problem ist, dass die großen Erfolge des Klubs schon länger zurückliegen. Und wenn die Gegenwart der Geschichte nicht gerecht wird, dann entsteht Unruhe“, sagt der 48-Jährige. Er wusste das alles. Das reizte ihn nur noch mehr.
Nach sieben wundersamen Jahren in Dortmund, die beinahe bis auf den Gipfel des europäischen Fußballs führten, soll er das nächste Märchen produzieren. An einem Ort, wo sie sich mehr nach einem Märchen sehnen als anderswo.
Als Klopp kam, war die Euphorie riesig, mittlerweile mischt sich auch Sachlichkeit in die manchmal überbordenden Hoffnungen. „Im Hype des Anfangs wurde so getan, als könnte ich durch Hand-Auflegen Dinge verändern. Und wenn die gleichen Leute jetzt merken, dass durch Hand-Auflegen nichts geht, dann wundern sie sich.“
Noch immer verkaufen sich in der Stadt die Dinge mit seinem Konterfei, mit seinem Namen. Sie liegen hundertfach im Fanshop in der Innenstadt: Klopp-Wimpel, Klopp-Tassen, Klopp-Masken, Klopp-Strampler, Klopp-Schnuller. Aber die Hysterie ist erst mal verflogen.
Liverpool und Ruhrgebiet ähneln sich
Der Trainer kann meist unbehelligt mit dem Hund spazieren gehen. Das tut er gern, damals schon, als er in Herdecke lebte. „Ich liebe den Herdecker Wald, aber wo wir hier jetzt spazieren gehen, ist es kaum zu schlagen.“ Formby liegt am Meer, der Strand ist breit, die Dünen sind frei zugänglich. „Unfassbar schön“, lacht er, „nur eben manchmal bei Windstärke zwölf und Dauerregen.“
Nicht sonnig sei es gerade – das hat Jürgen Klopp vor ein paar Tagen gesagt. Er meinte nicht das Wetter, sondern die Lage seines Klubs nach dem Aus im FA-Cup am Samstag. In der Liga steckt Liverpool noch immer im Mittelfeld fest, nur im Liga-Pokal steht der Klub im Finale. Dort wartet Manchester City. Ein Titel dieses Jahr würde helfen, damit alle die Geduld finden, die es braucht. „Ich habe das Gefühl, dass alle heiß und hungrig sind auf Erfolg, aber auch bereit, die notwendige Zeit zu investieren.“ Klopp wirkt aufgeräumt, voller Tatendrang. Die Menschen in Liverpool ähneln denen im Ruhrgebiet. Sie verlassen sich auf die Dinge, auf die sie sich glauben, verlassen zu können: einander, Fußball.