Seit zwei Jahren spielt Torsten Frings in der nordamerikanischen Profiliga MLS. Im Interview spricht der Ex-Nationalspieler über sein Leben in Toronto, seine Zukunft, die Fitness, das Niveau der MLS, Interviews unter der Dusche und Flüge in der Linienmaschine.
Essen.
Wenn in der Bundesliga ab Mitte Januar wieder der Ball rollt, beginnt für Torsten Frings die Saisonvorbereitung. Sein drittes Jahr beim Toronto FC in der nordamerikanischen Profiliga Major League Soccer (MLS) wird für den 36-jährigen früheren BVB-Profi auch das letzte seiner Karriere sein.
Herr Frings, Sie waren Deutscher Meister mit den Bayern und kanadischer Meister mit dem Toronto FC. Wurde in Toronto ähnlich gefeiert wie mit der Schale auf dem Rathaus-Balkon des Marienplatzes?
Torsten Frings: (lacht) Nee. Es gibt einen kleinen Pokal und wir sind abends ein Bier trinken gegangen. Das war’s dann auch. Das ist nicht vergleichbar mit der Meisterschaft in der Bundesliga. Fußball interessiert hier keinen. Die Leute schauen Eishockey und Basketball. Der Titel ist aber wichtig.
Warum?
Torsten Frings: Du qualifizierst dich so für die amerikanische Champions League. Du vertrittst Kanada und spielst gegen Klubs aus Costa Rica oder Mexiko. Das macht richtig Spaß. Das kannst du wiederum nicht mit Europa vergleichen. Da wir mit nur vier Klubs die kanadische Meisterschaft ausspielen, ist unsere Chance ganz gut. Toronto war zuletzt vier Mal hintereinander Meister. Da es in der MLS nicht ganz so gut lief, passte das mit der Champions League ganz gut.
Wie schätzen Sie das Spiel-Niveau der MLS ein? Früher wurde über die Operettenliga gelästert.
Torsten Frings: Toronto würde im Mittelfeld der 2. Bundesliga spielen, vielleicht ein bisschen weiter unten. Los Angeles Galaxy, der Beckham-Klub, der zuletzt zweimal MLS-Meister war, hat das Niveau von Greuther Fürth, würde aber nicht absteigen. Da klafft schon eine Riesenlücke. Aber die Strukturen werden immer professioneller.
Sie haben bei WM und EM gespielt, waren auf Ihrer Position Weltklasse. War der Liga-Wechsel für Sie eine große Umstellung?
Torsten Frings: Ich bin anderes gewohnt, sicher. Die Qualität ist nicht so hoch wie in Europa. Aber du lernst, damit umzugehen und versuchst, den Mitspielern zu helfen. Beim Verhalten bei Eckbällen, bei Einwürfen usw. In den Teams sind oft junge Spieler, die direkt von der Uni oder dem College kommen. In Deutschland haben wir ja eine ganz andere Ausbildung. Sie sind allerdings alle körperlich extrem gut ausgebildet und fit. Darauf legen die Amerikaner viel Wert.
Sie sind 36 Jahre alt. Reicht es da noch?
Torsten Frings: (lacht) Ich habe in Europa gespielt. Da ist die Qualität einfach deutlich höher. Du musst natürlich eine vernünftige Fitness haben. Auf technischen Fußball wird hier nicht so viel Wert gelegt. Laufen können sie alle. Nur die Übersicht fehlt. Aber auch das wird besser.
Sie sind schnell Kapitän bei Toronto geworden.
Torsten Frings: Ich wurde gefragt und bin ja hier so ein bisschen ein Vorzeigetyp. Ich mache es gerne. Wir sind ein eingeschworener Haufen. Jeder macht mit jedem was, das ist anders als in der Bundesliga. Hier ist man schnell befreundet, weil es keinen Neid gibt, da fast alle dasselbe verdienen. Das liegt am Salary Cap (Anm. d. Red.: Gehaltsobergrenze), die die Liga den Klubs verordnet. Es gibt Spieler, die verdienen nur 40 000 Dollar im Jahr. Dafür spielt in Deutschland niemand. Aber für junge Spieler ist die Liga ein Sprungbrett.
Da gewöhnst du dich dran – Torsten Frings über Interviews unter der Dusche
Sprechen wir über das Drumherum. Die Stimmung in den Stadien ist …
Torsten Frings: … gar nicht so schlecht, wie man denkt, sondern richtig gut. Zu uns in Toronto kommen 20.000 Fans, da ist das Stadion fast voll. Und die machen gute Stimmung. New York hat ein supergeiles Stadion, in Seattle kommen 50.000 Fans.
Das Reisen…
Torsten Frings: … habe ich total unterschätzt. Es ist super anstrengend. Du fliegst sechs Stunden zu einem Spiel in Los Angeles oder Vancouver und hast noch drei Stunden Zeitunterschied. Und wir fliegen nicht Charter, sondern Linie. Die ganze Mannschaft ist über den Flieger verstreut und sitzt dort, wo was frei ist. Das Gute: Du siehst viel von den USA. Ein beeindruckendes Land.
Die Medien…
Torsten Frings: … die Spiele werden live im Fernsehen übertragen. Aber meist sind nur drei oder vier Journalisten-Männeken dabei plus die Jungs von unserem Klubsender. In München oder Dortmund war das ganz anders. Die Journalisten dürfen hier allerdings direkt nach dem Spiel in die Kabine und dich unter der Dusche interviewen. Auch da gewöhnst du dich dran. Und in der Stadt erkennt mich zum Glück eh keiner.
Das ist anders als in München oder Dortmund.
Torsten Frings: Das ist das Allerbeste. Ich wollte immer mal in einer Großstadt leben. Ich kann mich frei bewegen und werde nicht ständig fotografiert und beobachtet. Toronto ist eine schöne Stadt. Ich kenne niemanden, dem sie nicht gefällt. Ich kann nur jedem einen Besuch empfehlen. Die Stadt ändert sich jeden Monat. Ständig wächst ein neuer Wolkenkratzer. Der Wahnsinn. Im Sommer ist es mit dem Riesensee und den Stränden wie am Mittelmeer. Im Winter allerdings arschkalt. Dann bin ich froh, in Deutschland zu sein.
Toronto ist auch eine Sportstadt. Und Sie sind ausgewiesener Sportfan.
Torsten Frings: Das passt auch. Die Klubs haben hier denselben Eigentümer, das ist bei den Tickets praktisch. So kann ich Eishockey bei den Maple Leafs, Basketball bei den Raptors und Baseball bei den Blue Jays schauen. Da hänge ich auch oft rum, wenn es passt. Die Hälfte der Spieler wohnt in meinem Appartement-Block. Da geht man auch mal Essen.
Wie machen Sie es mit Ihrer Familie?
Torsten Frings: Meine Freundin ist bei mir in Toronto. Meine Kinder besuchen mich in den Ferien. Das gefällt ihnen. Und ich bin ja auch zwei- oder dreimal im Jahr in Deutschland.
Wir fassen zusammen: Alles richtig gemacht.
Torsten Frings: Ja, ich bin froh, dass ich mich so entschieden habe und fühle mich dort sehr wohl.
Wie geht es weiter? Wie lange spielen Sie noch?
Torsten Frings: Ich hatte gerade einen kleinen Eingriff an der Hüfte. Aber alles wieder okay. Im Januar reise ich rüber und starte in die Vorbereitung. Ein Jahr noch, dann reicht es aber auch. Ich will nicht noch länger Fußball spielen.