David Behre will über 400 Meter siegen und Oscar Pistorius sportlich beerben. Seit einem Unfall ist der gebürtige Duisburger unterschenkelamputiert.
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Entspannt steht David Behre im Olympiastadion, schießt Fotos von sich und der blauen Laufbahn. Von der Laufbahn, auf der er seine Karriere bei den Paralympics krönen will. „Ich habe hier in Rio gut trainiert, die Bedingungen sind toll, ich fühle mich topfit.“
Der 29-jährige Behre wird nicht müde, allen, die es hören möchten, zu erzählen, wie glücklich und zuversichtlich er derzeit ist. Wie sehr er seinem großen Traum entgegenfiebert: Er will Gold über die 400 Meter holen.
Am Donnerstagabend (ab 23.30 Uhr deutsche Zeit / ARD) wird der Sprinter beim 100-Meter-Vorlauf erstmals in Startposition gehen, seinen Kopf senken. Dann schauen seine Augen nicht auf Spikes, kontrollieren nicht, ob die Schnürsenkel geschlossen sind. Seine Augen sehen beim Tiefstart graues Carbon. Beim Startschuss schnellen die Prothesen aus dem Block, als wenn sie Teil des Körpers wären.
Gefallener Held
Er will auf der Stadionrunde der sportliche Nachfolger von Oscar Pistorius werden, der heute ein gefallener Held ist. Pistorius macht schon seit Jahren nicht mehr wegen sportlicher Erfolge Schlagzeilen. Der unterschenkelamputierte Südafrikaner erschoss 2013 seine Freundin Reeva Steenkamp und wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Aber noch ist Pistorius amtierender Paralympics-Sieger und Weltrekordhalter über 400 Meter. Als einziger Sportler nahm er sowohl an den Olympischen Spielen als auch an Paralympics teil. Sportlich ist er in seiner Startklasse T43 noch immer unerreicht.
Eben jenen Oscar Pistorius sieht David Behre 2007 im Fernsehen. Das ist kurz nach seinem Unfall. Nach dem Unfall, der das Leben des gebürtigen Duisburger für immer verändern sollte:
Am 8. September 2007 wird der junge David Behre mit seinem Rad an einem Bahnübergang von einem Zug erfasst, viele Meter weit mitgeschleift. Stundenlang liegt er blutend in einer Hecke, bis ihn endlich jemand findet. Seine beiden Unterschenkel hat der Zug abgetrennt.
Noch im Krankenhaus, wenige Tage nach seiner Operation, schöpft der damals 20-Jährige neuen Mut. „Als ich Oscar Pistorius auf seinen Prothesen habe laufen sehen, war ich verblüfft und habe mir sofort vorgenommen, das auch zu versuchen.“
Weg in ein neues Leben
David Behre macht sich auf in ein neues Leben: Mühsam kämpft er dafür, wieder gehen zu können, beginnt mit dem Sport, trainiert auf den Carbon-Prothesen, bis seine Stümpfe wund sind und er sich vor Schmerzen kaum noch bewegen kann. Heute fühlt er sich auf den künstlichen Sport-Füßen längst wohl.
Über den Unfall denkt er inzwischen gar nicht mehr nach. Schon gar nicht mit negativen Gefühlen. „Es klingt verrückt, aber mein Leben hat eine positive Wendung genommen“, sagt der Sprinter selbstbewusst.
Heute ist er einer der schnellsten Prothesen-Sprinter und kann vom Sport gut leben. Sein paralympisches Debüt gab er 2012 in London als Fünfter über 400 Meter. Auf seiner Paradestrecke wurde er 2015 Weltmeister. Und jetzt, in Rio, soll die Krönung seiner Karriere folgen. Die Stadionrunde schneller als jeder andere zu laufen, das ist sein Traum. Aber einfach, das weiß er, wird es sicher nicht: „Es gibt viele gute Läufer, denen eine Medaille zuzutrauen ist. Ich denke, dass es sehr eng und spannend wird“, sagt David Behre kurz vor seinem ersten Start.
In Rio tritt David Behre auch über 100 Meter, 200 Meter und in der Sprint-Staffel an. Den 15. September jedoch hat David Behre auf seinem Sprint zurück ins Leben in seinem Kalender rot markiert. Den Tag des 400-Meter-Endlaufs. „Darauf habe ich das gesamte letzte Jahr hingearbeitet.“
Heute tritt er zum Vorlauf über 100 Meter an. Ein Rennen zum Warmmachen. „Ich bin vorbereitet. Jetzt will ich einfach nur, dass es endlich losgeht.“