Der Bottroper Niklas Wojtek ist Weltmeister im Einradfahren
Der schnellste Mann auf einem Rad kommt aus Bottrop: Niklas Wojtek fuhr der WM-Konkurrenz davon. In unserer Serie stellen wir schräge Revier-Champions vor.
Bottrop.
Radlos erlebt man Niklas Wojtek fast nie. Sogar im Winter, wenn der Boden hart und gefroren ist, tüftelt er, überlegt er, wie er noch schneller, noch besser werden kann. Der 22-Jährige ist nicht bloß ein Radfahrer. Er ist Einradfahrer. Und zwar der beste der Welt. In vier Disziplinen ist er 2014 in Kanada der Konkurrenz davongefahren. Vor ihm hat das noch kein anderer Deutscher geschafft.
Der Bottroper ist der schnellste Mann auf einem Rad, der Usain Bolt mit Speichen. Und doch wäre er gegen den Jamaikaner chancenlos. Die Königsdisziplin über 100 Meter gewann Wojtek in 12,689 Sekunden, Bolt braucht zu Fuß nicht einmal zehn. „Aber er muss am Start auch nicht erst in Gang kommen“, erklärt Wojtek.
Bewusste Entscheidung gegen Fußball und für das Einrad
Dass er den richtigen Tritt findet, dafür hat der Student der Fitness-Ökonomie viel getan. Tägliches hartes Training. Ausdauer, Technik. Immer unter den Augen seines Vaters, der auch sein Trainer ist. Zig Mal hat er den Start geübt, über unzählige Kilometer hat er sich ohne Gangschaltung in einen Rausch getreten, hat er sich die Halde zum Bottroper Tetraeder rauf und runter gequält. Das Gleichgewicht auf dem einen Rad halten zu können, sei da das kleinste Problem. „Das verlernt man nicht, das ist wie Schwimmen, wie Fahrradfahren“, sagt er und muss lachen.
Dabei war Fahrradfahren nie sein Ding. Seit zehn Jahren spielt er regelmäßig Tennis, als Fußballer stand er lange auf dem Platz. „Da war ich auch nicht schlecht. Vielleicht hätte ich Potenzial gehabt“, sagt er. Ins Grübeln kommt er aber nicht. Die Entscheidung für den Nischen- und gegen den medialen Übersport hat er bewusst getroffen.
Einradfahren hat ihn schon als Kind fasziniert. „Ich kannte das aus dem Zirkus, fand die Tricks immer cool“, sagt er. Als 1998 die Einrad-Weltmeisterschaft in Bottrop und Oberhausen stattfand, guckte er mit seiner Familie zu. Da war es um die Wojteks geschehen. Mutter, Vater, Tochter und der siebenjährige Sohn machten einen Anfängerkurs. Und Niklas Wojtek wurde besser und besser. „Ich bin sogar mit dem Einrad zum Fußball- oder Tennistraining gefahren“, sagt er.
2009 kam der Durchbruch
Weil das Talent stimmte und er schnell dazu lernte, wuchsen auch die Erfolge. „2009 war dann mein Durchbruch in Deutschland“, sagt er. Zum ersten Mal schlug er bei den deutschen Meisterschaften seinen bislang dominierenden Teamkollegen – und gewann in acht Disziplinen. Doch weder diese noch sein erster WM-Vizetitel 2010 waren ihm genug. „Ich bin Leistungssportler durch und durch“, sagt der Bottroper, „als ich gemerkt habe, dass was geht, habe ich ständig an mir gearbeitet.“
Auch das Filmen der Rennen gehört zu seiner akribischen Arbeitsweise. „Da, genau da überhole ich den Japaner“, kommentiert er ein Video von einem seiner WM-Finals und zeigt auf einen kleinen Punkt, den Japaner. Der ist eigentlich Profi auf zwei Rädern, 30 Jahre alt und fährt Einrad nur nebenbei. Warum? „In Japan ist das Schulsport. Da will das jeder machen. Die werden zu den großen Turnieren extra eingeflogen“, sagt Wojtek.
Verkratzte Goldmedaillen
Der 22-Jährige selbst erhält keine finanzielle Förderung. Nur sein Verein, Adler 07 Bottrop, unterstützt ihn ein wenig. Doch die Reisen bezahlt er selbst, Prämien für die Sieger gibt es im Einradfahren nicht. Niklas Wojtek hat das nie hinterfragt. „Ich bin es gewöhnt, kein Geld für meinen Sport zu bekommen. Es ist mein Hobby, ich mache das für mich, um mich zu verbessern“, sagt er. Er nimmt Leistungsport wörtlich und übersetzt ihn nicht mit „Bezahlsport“.
Das Einzige, was ihn stört, ist die fehlende Professionalität. Seine goldenen WM-Medaillen glänzen zwar, sind aber verkratzt. „Die Veranstalter haben sie einfach alle aufeinander in einer Kiste gelagert“, sagt er. Und: Bei der WM kann sich jeder anmelden – egal, ob Profi oder nicht. Gleich, ob erprobt oder Amateur. Aber das ist es wohl, das Los der kleinen, der schrägen, der anderen Sportarten. Wojtek hat genau dort sein Ding gefunden.
Weil er aber weiß, dass er von der Freude am Sport nicht satt wird, ist ihm neben dem Einrad ein zweites Standbein wichtig. Der Student steht vor dem Abschluss, die EM könnte er deshalb verpassen. Die Balance zu halten, ist manchmal eben doch nicht so leicht.