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Bray ist der bekannteste Profi-Schiedsrichter der Dart-Szene

Bray ist der bekannteste Profi-Schiedsrichter der Dart-Szene

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Foto: WAZ FotoPool
Russ Bray ist bis Sonntag in Mülheim als Schiedsrichter bei der European Dart Championship im Einsatz. Es geht um ein Preisgeld von 200 000 britischen Pfund, und alle Top-Spieler der Szene werden antreten.

Mülheim. 

Russ Bray ist gerade aus London gekommen, es ist früher Vormittag, sein Hotelzimmer in Mülheim ist noch nicht fertig. Der 55-Jährige Engländer bleibt locker: „Kein Problem!“ Er ist der bekannteste Profi-Schiedsrichter der Dart-Szene. In seiner Heimat heißt sein Beruf „Caller“, und Bray wird sein „Onehundredeighty“ nach einer perfekten Wurfserie von 180 bis Sonntag bei der European Dart Championship in Mülheim von der Bühne rufen. Aber jetzt gähnt er und braucht erstmal dringend einen Kaffee.

Reisestress? Wie viele Tage im Jahr sind Sie unterwegs?

Russ Bray: Im vergangenen Jahr habe ich über 200 Nächte in Hotels verbracht.

Was sagen Ihre vier Kinder dazu?

Bray: Ach, die sind längst erwachsen und haben eigene Kinder. Ich bin nämlich Grandpa. Aber manchmal ist es tatsächlich schwierig. Meine Tochter hat letztens nach einem Wochenende gefragt, an dem sie mich besuchen kann. Dabei habe ich festgestellt, dass mein nächstes freies Wochenende im Januar ist.

Wo sind Sie denn andauernd?

Bray: Ich zähle mal die vergangenen Wochen auf: Erst Holland, dann Australien, dann München, dann Stuttgart, jetzt Mülheim, nächste Woche Tokio, dann Dublin.

Klingt nach einem sehr gefragten Mann. Verdienen Sie entsprechend gut?

Bray: Naja, ich fliege immer noch Economy-Class. Nach Australien zuletzt von London über Abu Dhabi insgesamt 26 Stunden. Business Class fände ich netter. Reicht das als Antwort zum Thema Geld?

Absolut. Sind Sie als Angestellter im Dart-Zirkus unterwegs?

Bray: Nein, ich bin selbstständig. Daher habe ich auch die Möglichkeit, ab und zu in einem Film mitzuspielen. Letztens habe ich sogar zum ersten Mal auf einer CD gesungen. Eine CD für Kinder, sie ist wirklich sehr schön geworden.

Bekannt sind Sie unter dem Namen „The Voice“, weil kein anderer Caller eine so markante Stimme wie Sie hat. Natur? Oder Zigaretten und Whiskey?

Bray: Alles Natur. Niemals Whiskey, und mit dem Rauchen habe ich vor zwei Jahren aufgehört.

Wie viele Profi-Schiedsrichter gibt es im Dart eigentlich?

Bray: Mit mir zwei oder drei, die damit tatsächlich ihren Lebensunterhalt verdienen.

Was muss man als Profi-Schiedsrichter können? Gibt es eine Abschlussprüfung?

Bray: Nein, wir haben keine Prüfungen. Du musst es dir einfach zutrauen, auf die Bühne gehen und dort vor dem Publikum bestehen.

Sie zählen auf der Bühne blitzschnell die Punktzahlen der Würfe zusammen. Rechnen Sie manchmal falsch?

Bray: Klar, wir sind alle Menschen und machen Fehler. Ich merke es aber sofort, denke mir „Shit“ und korrigiere die Sache möglichst schnell.

Mochten Sie in der Schule Mathematik?

Bray: Sie werden staunen, ich gebe es zu: Ja, mochte ich.

Dart gilt als Kneipensport, im Zuschauerraum fließt das Bier in Strömen. Auf der Bühne auch?

Bray: Überhaupt nicht. Dart ist in den vergangenen Jahren eine große Sache geworden. Es geht um viel Geld und Sponsoren, wir sind Profis und arbeiten dementsprechend. Auf der Bühne gibt es nur Wasser. Nicht einmal Cola ist erlaubt.

Cola? So sehr achten die Dart-Profis auf die Gesundheit?

Bray: Ich muss Sie enttäuschen, es geht nicht um die Gesundheit. In die Cola könnte man Whiskey kippen, bei Wasser fällt das sofort auf.

Ein Problem, wenn unten im Saal immer lauter die Post abgeht?

Bray: Überhaupt nicht. Wir bieten Sport und Entertainement. Die Leute kommen, um Spaß zu haben. Unten ist eine Partyzone, das ist doch klasse.

Wie ist Ihr Verhältnis zu den Top-Spielern wie Phil Taylor oder Adrian Lewis? Als Schiedsrichter eher distanziert?

Bray: Auf der Bühne auf jeden Fall, da gilt mein Wort, und die Jungs begegnen mir mit dem nötigen Respekt. Wir sind aber auch oft gemeinsam in der Welt unterwegs, und dann sind wir Kumpel und haben viel Spaß zusammen.

Bevor Sie Mitte der 90er Jahre Schiedsrichter wurden, waren Sie Gerüstbauer und Dart-Profi. Treten Sie auch heute noch manchmal aus Jux gegen die Jungs an?

Bray: Gar nicht mehr. Ich spiele nicht mehr Dart, ich spiele Golf.

Dazu bleibt Zeit?

Bray: Die nehme ich mir. Meine Handicap liegt bei elf, das finde ich gar nicht so schlecht. Und im Oktober habe ich fünf Tage Urlaub und fliege mit alten Freunden nach Spanien zum Golf.

Ein Dart-Spiel kann weit über drei Stunden dauern, wie halten Sie solange die Konzentration auf der Bühne hoch?

Bray: Übungssache. Ich konzentriere mich in Phasen. Ich nutze die Werbepausen, die bei den Fernsehübertragungen entstehen, zur kurzen Entspannung. Mit den Jahren kriegt man das hin.

Wie lange kann man als Caller arbeiten?

Bray: Keine Ahnung, es gibt keine Erfahrungswerte. Aber solange man fit ist und schnell rechnen kann, sollte es gehen. Wenn ich es mir aussuchen darf: 15 Jahre könnten es ruhig noch werden.