Für Wladimir Putin war es die erste große sportliche Liebe, bei den Europaspielen ist es nicht nur für deutsche Zuschauer die große Unbekannte. Auch zahlreiche Athleten anderer Sportarten konnten mit Sambo vor den Wettkämpfen herzlich wenig anfangen.
Baku.
Der Kampfsport-Mix aus Judo, Jiu Jitsu oder Ringen hat seinen Ursprung als Armeesport in der früheren Sowjetunion. Und so zeigt sich schon beim Teilnehmerfeld ohne deutsche Beteiligung eine deutliche Diskrepanz: Lediglich drei der 38 männlichen Starter kommen aus Westeuropa.
Als einer des Trios bewegt sich Kevin Rasit Cekic aus Salzburg am Morgen etwas unsicher über die für ihn ungewohnt große Bühne in der Heydar-Aliyev-Arena. 180 Kilogramm wiegt der 23-Jährige bei 1,75 Meter Körpergröße, sein ukrainischer Gegner Razmik Tonoyan bringt mehr als 60 Kilo weniger auf die Waage und erweist sich als deutlich flinker.
Nach nicht einmal einer halben Minute wird Cekic zu Boden gezogen, liegt auf dem Rücken, versucht sich verzweifelt aus einem Haltegriff zu befreien. Doch nach 50 Sekunden ist der Traum von den Europaspielen schon wieder vorbei. Der Kampf wird nach zwei Wertungen wegen Überlegenheit des Gegners abgebrochen. „Ich wollte eigentlich fünf Minuten kämpfen“, sagt Cekic mit leiser Stimme. Der locker sitzende, dem Judo-ähnliche, Anzug gibt einen Blick auf seinen massigen Oberkörper frei.
Immer wieder schaut der sanfte Riese schüchtern zu seinem Betreuer Anatoli Khalkadarov, der das Wort in der sportlichen Beziehung führt und dem Athleten mit klarer Ansage bedeutet, sich hinzusetzen. An seiner Fitness müsse er noch arbeiten, gibt Cekic zu. „Der Hunger ist seine Schwäche“, sagte sein Trainer Alija Dedovic vor den Europaspielen dem österreichischen „Standard“.
Nach seinem schnellen Aus berichtet der frühere Boxer Cekic, wie schwierig sich der Sambo-Sport in Mitteleuropa betreiben lässt. In seiner Heimatstadt gibt es für ihn gar keinen adäquaten Trainingsgegner, in Linz zumindest „zwei, drei Sparringspartner“.
So finden sich in den acht Finals am Abend nur Athleten aus früheren Sowjetrepubliken sowie jeweils eine Sportlerin aus Bulgarien und Serbien. Obwohl Sambo in weiten Teilen der Welt noch reichlich Entwicklungsarbeit vor sich hat, hofft auch der prominente Ehrenpräsident auf eine Aufnahme ins olympische Programm. „In der modernen Geschichte stammen alle einzelnen Kampfsportarten von Sambo ab“, sagt Putin.
Der Kremlchef war mehrfacher Meister von Leningrad (St. Petersburg) im Sambo und betreibt zu dem auch Judo seitdem er elf Jahre alt ist. „Ich denke, es ist an der Zeit, dass Sambo ein olympischer Wettbewerb wird“, fordert Putin auf der Internetseite des Weltverbands. Doch noch ist es ein weiter Weg: Auf der Liste von 26 Sportarten, die sich für eine Aufnahme ins Programm für die Sommerspiele 2020 in Tokio beworben hatten, fehlt Sambo gänzlich.
2015-06-22 13:14:23.0