Seit Oktober 1994 ist Natascha Keller Hockey-Nationalspielerin. Die Berlinerin hat schon 386 Einsätze hinter sich. Und es sollen noch mehr werden. Sie will unbedingt in London beim olympischen Turnier teilnehmen.
Mönchengladbach.
Ihr erstes Länderspiel? Bei dieser Frage muss Natascha Keller nicht lange überlegen. „Das war im Oktober 1994“, sagt die Berlinerin, „in Essen gegen die Niederlande. Wir haben 4:3 gewonnen.“ 17 Jahre und drei Monate ist sie damals alt gewesen. Fast 17 Jahre später wird sich Natascha Keller am Dienstag (15 Uhr) bei der Hockey-Europameisterschaft in Mönchengladbach gegen Belgien zum 395. Mal das Nationaltrikot mit dem Bundesadler überstreifen. Die 34-Jährige ist Rekordnationalspielerin und auf dem besten Weg, eine Bestleistung für die Hockey-Ewigkeit aufzustellen. Zur Einordnung: Torhüter Jörg Butt ist mit 386 Einsätzen vor Hasan Salihamidzic (310) der erfahrenste aktive Fußball-Bundesligaspieler.
„Ich habe mir zwar den Titel als Rekordnationalspielerin selbst erarbeitet und bin deshalb auch sehr stolz darauf, aber es ist eine Nebensache“, sagt Natascha Keller. Obwohl sie als Olympiasiegerin, Hallen-Weltmeisterin, Europameisterin, Champions-Trophy-Siegerin und Welt-Hockeyspielerin fast alles gewonnen hat, was mit dem Krummschläger möglich ist, fällt ihrem 395. Einsatz für Deutschland eine besondere Bedeutung zu. Das deutsche Team muss nach der 0:2-Niederlage vom Sonntag gegen England am Dienstag gegen Belgien unbedingt gewinnen, um das EM-Halbfinale zu erreichen und weiter im Rennen um die beiden Olympia-Tickets zu bleiben.
Olympia motiviert Tag für Tag
Olympia, das ist für jeden Sportler das Nonplusultra, erst recht für Nischensportler wie Hockeyspielerinnen, die nur alle vier Jahre im Schaufenster stehen. Olympia, das ist auch für Natascha Keller das Zauberwort, das sie Tag für Tag motiviert. London 2012, es wären die fünften Sommerspiele für sie – und damit wäre sie eine Top-Kandidatin, um vor dem deutschen Team mit der Fahne einzuziehen.
Nach Platz sechs 1996 in Atlanta und Rang sieben 2000 in Sydney erfüllte sie sich 2004 den größten Traum einer Sportlerin. Sensationell holte die Berlinerin die Goldmedaille. Es war etwas ganz Besonderes für sie, aber fast schon Alltägliches für die Familie. Sollte ein Wissenschaftler mal auf die Idee kommen, auf die Suche nach einem speziellen Hockey-Gen zu gehen, dann kommt er jedenfalls nicht darum herum, sich intensiv in die Geschichte der Familie Keller zu vergraben.
„Ich weiß nicht, ob es so ein Gen gibt“, sagt Natascha, „aber uns ist schon als Kindern der Spaß am Hockey vermittelt worden. Wir sind immer mit zum Platz gegangen, wenn der Papa gespielt hat.“ Opa Erwin war der erste Keller, der 1936 bei den Olympischen Spielen in Berlin als Silbermedaillengewinner ein Kapitel Hockey-Geschichte schrieb. Es sollte ein umfangreiches Werk werden. 1972 stieg Carsten Keller, der Sohn von Erwin und der Vater von Natascha, noch eine Stufe höher auf dem olympischen Podest. Und drei Kinder von Carsten Keller folgten als Olympiasieger: 1992 Andreas, 2004 Natascha und 2008 Florian.
Der Vater und die Brüder drücken in Mönchengladbach der Tochter und Schwester die Daumen, schließlich soll die Erfolgsgeschichte der Kellers auch in London weiter gehen. Natascha hat zwar keine Angst, bei der Heim-EM einen Absturz zu erleben wie Rekordnationalspielerin Birgit Prinz bei der Fußball-WM, doch eines soll ihr nicht passieren: „Es soll nicht heißen, wie kriegen wir die Alte vom Platz.“ Aber noch sind alle froh, dass die Alte für große Gefahr im gegnerischen Strafraum sorgt. Am besten auch heute gegen Belgien.