Veröffentlicht inSport

Moritz von Groddeck ist gestorben

Moritz von Groddeck ist gestorben

img751neu--656x240.jpg
Die Sportwelt trauert um Moritz von Groddeck. Die Ruder-Ikone ist im Alter von 75 Jahren gestorben. Nach einer grandiosen Sportkarriere schlug er die journalistische Laufbahn ein – er war auch Sportchef bei der NRZ.

Essen. 

Zu große Nähe ist für die Arbeit eines Journalisten eher hinderlich. Über einen Freund zu schreiben, gilt deshalb vielen als heikle Aufgabe. In diesem Fall jedoch: nichts leichter als das, ist der Anlass auch bedrückend. Mit mir trauert die Sportwelt um einen ihrer Großen: Moritz von Groddeck, Ruder-Ikone und untrennbar mit dem legendären Trainer Karl Adam verbunden, ist im Alter von 75 Jahren gestorben.

Es war die Nacht, in der aus einer engen kollegialen Beziehung eine wunderbare Freundschaft wurde. Am Abend des 19. Juli 1996 hatte Muhammad Ali im Olympiastadion von Atlanta mit zittriger Hand das olympische Feuer entzündet und nicht nur unsere Herzen, sondern die von Millionen Menschen in aller Welt erwärmt. Als Reporter vor Ort waren Moritz, der an diesem Tag seinen 60. Geburtstag feierte, und ich noch Stunden später so überwältigt von diesem Moment, da unser beider Idol seinen Frieden mit Amerika gefunden hatte, dass wir in unserem Hotel nicht in den Schlaf kamen und bis in den nächsten Morgen hinein redeten und redeten.

Mit Ali verband Moritz eine ganz spezielle Beziehung. Beide waren 1960 in Rom erstmals ins Rampenlicht gerückt, als der junge Ratzeburger Ruder-Recke in Karl Adams legendärem Deutschland-Achter Olympiasieger wurde und der wohl größte Boxer aller Zeiten unter seinem damaligen Name Cassius Clay Gold im Halbschwergewicht holte. Und 1974, beim vielleicht größten Comeback der Sport-Geschichte, saß Moritz – als Berichterstatter für die NRZ — am Ring von Kinshasa, als Ali den für unbezwingbar gehaltenen George Foreman in der achten Runde niederstreckte.

Sportchef bei der NRZ

Nach seiner grandiosen Sportkarriere, die ihm neben dem Achter-Gold von Rom und zwei olympischen Silbermedaillen (1956 im Zweier mit Steuermann, 1964 im Achter) noch sechs weitere Titel bei Welt- und Europameisterschaften bescherte, hatte Moritz die journalistische Laufbahn eingeschlagen. Stationen in Hamburg bei „Bild“ und der „Morgenpost“ folgte in den 1970er Jahren eine dreijährige Stippvisite in Essen, wo er uns jungen Redakteuren ein Chef war, wie man ihn heutzutage nur noch selten findet.

So kumpelhaft und jovial Moritz auch mit seinen Freunden umzugehen pflegte – seinen Nachfolgern in der deutschen Ruder-Flotte machte er es als Kritiker nicht immer leicht. Weil seine Anforderungen an den Leistungssport keine Kompromisse vertrugen. „Erfolg ist nicht alles“, pflegte er zu sagen, „er ist das Einzige.“ Dass er in einer Würdigung zu seinem 75. Geburtstag in seiner früheren Zeitung als „streitbarer Sport-Philosoph“ bezeichnet wurde, hat ihm gefallen.

Weil er Deutscher Meister in allen Bootsklassen vom Einer bis zum Achter war, sah er sich selbst als „Zehnkämpfer unter den Ruderern“. Überhaupt: Unter mangelndem Selbstbewusstsein hat er nie gelitten. Und dass er sein Licht unter dem Scheffel stellte, wurde auch eher selten von ihm behauptet. Aber wenn Moritz in launigen Gesprächsrunden gegenüber Menschen, die seine Vita nicht kannten, en passant einstreute, dass bei seinem Olympiasieg auf dem Albaner See ein heftiger Wind wehte oder dass die Hitze unerträglich war, als er mit Ali am Kongo River saß, kamen solche – seine Zuhörer schwer beeindruckenden – Bemerkungen nie aufschneiderisch rüber.

Nur noch ein „Fünfer“

Dem Rudersport blieb Moritz, der im vorpommerschen Tutow geboren wurde, mit zunehmender Distanz verbunden. Zum Ratzeburger See oder zum Rotsee bei Zürich zog es ihn immer wieder wie den Täter an den Tatort zurück. Mit Wasser war auch seine zweite, maßvoll ausgelebte Leidenschaft verbunden – in Verbindung mit gutem schottischem Malt Whisky.

Einen Ardbeg oder Lagavulin gemeinsam auf unserer Lieblingsinsel Islay zu genießen, zählte zu unseren schönsten gemeinsamen Momenten. Moritz dachte dabei oft laut darüber nach, ob wohl Ali oder er zuerst gehen müsste. Als 2007 mit Manfred Rulffs und Karl-Heinz Hopp die ersten beiden Kameraden aus dem Goldachter von Rom gestorben waren, bemerkte er bitter-ironisch: „Jetzt sind wir nur noch ein Sechser.“

Seit gestern, 13.15 Uhr, ist aus dem einstigen Achter ein „Fünfer“ geworden. Fünf Monate nach seinem 75. Geburtstag ist Moritz von Groddeck in Bad Bellingen am Fuße des Schwarzwalds, wo er nach seiner Zeit als Journalist noch jahrelang eine Pension geführt hatte, einer kurzen, schweren Krankheit erlegen. Er hinterlässt seine Frau Eva und seine beiden Töchter Caroline und Viktoria, auf die er immer so stolz war.

Was bleibt, ist der Dank an einen aufrichtigen Freund und der Trost, dass wahre Freundschaft auch der Tod nicht trennen kann.