Der Machtkampf um Präsidentenamt erschüttert den in der Post-Steffi-Graf-Ära gebeutelten Tennisverband
Berlin/Soest.
Als sich Arnd Grotjohann ins Auto setzt, die Adresse des Maritim-Hotels in Berlin in sein Navigationsgerät eintippt und am Zündschlüssel nestelt, macht sich ein leichtes Grummeln in der Magengegend breit. So ein flaues Gefühl, welches vor einer Fahrt ins Ungewisse nur besonders ausgebuffte Zeitgenossen nicht beschleicht.
Vize-Präsident Sport des Westfälischen Tennisverbandes ist der Soester seit gut einem Jahr. Anfangs kommissarisch, ab Februar hochoffiziell. Und als solcher nimmt Grotjohann dieses Wochenende an der 63. Mitgliederversammlung des Deutschen Tennisbundes teil. Was daran einer Reise ins Ungewisse gleichkommt? Keinesfalls die diversen Arbeitsgruppen, eher die Gespräche zwischen den Programmpunkten. Sie sind brisant, hoch brisant. In ihnen kann jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden.
Denn im größten Tennisverband der Welt tobt ein Machtkampf. Seit Wochen. Eine ziemliche Schlammschlacht sei das gewesen sagen die einen, die anderen sprechen etwas zurückhaltender von harten Bandagen und veritablen Einschüchterungskampagnen. Wie auch immer: Alles läuft auf das große Finale am Sonntag hinaus, wenn der Präsident, der Chef aller deutschen Tennis-Cracks vom Hobby-Spieler im Sauerland bis hin zu Stars wie Andrea Petkovic gewählt wird.
Ihren Hut in den Ring haben hierfür geworfen: Der Amtsinhaber Georg von Waldenfels und sein Herausforderer Karl-Georg Altenburg. Der eine (von Waldenfels) – kurz gefasst – ein Traditionalist, der angeblich abtreten wollte, sich aber zu einer erneuten Kandidatur hat überreden lassen. Es sei denn, Ex-Tennis-Star Michael Stich meldet noch sein Interesse an, dann zöge von Waldenfels zurück. Der andere (Altenburg) – ebenso kurz gefasst – ein Modernisierer, der dem klammen Verband ein effizienteres und professionelleres Management überstreifen will.
Eine Gemengelage erwartet Grotjohann und Co. in Berlin also, in der sich niemand die Zunge verbrennen möchte. Deshalb hält sich auch der in Iserlohn arbeitende Jurist mit Äußerungen im Vorfeld zurück. Nur so viel sagt Grotjohann mit fast wehmütigen Gedanken an bessere Zeiten: „Georg von Waldenfels kann nichts für den Beliebtheitsrückgang der Sportart nach dem Karriere-Ende von Steffi Graf und Boris Becker. Aber man fragt sich schon, was er in den zwölf Jahren seiner Amtszeit angestoßen hat, um die Entwicklung zu stoppen.“
Der Auftrag der Westfalen, die immerhin den drittgrößten Verband im DTB stellen, an ihren Präsidenten Robert Hampe erging deshalb eindeutig: Er soll am Sonntag für einen Wechsel, also pro Altenburg stimmen. „Wir haben das im Präsidium so besprochen“, erklärt Grotjohann. Da Probeabstimmungen in den übrigen Verbänden vielfach ein identisches Bild ergaben, „ist das Rennen eigentlich gelaufen“, sagt Grotjohann.
Ein Funken Ungewissheit bleibt dennoch. Auch wegen des Präsidenten in spe. „Ein guter Tennisspieler, der mit Verbandspolitik bislang noch nicht viel am Hut hatte“, erklärt der Soester. Andere im Verband sehen Altenburg kritischer, vermissen Inhalte in seiner Bewerbung und fragen sich, wie zum Beispiel hauptamtliche Führungskräfte bezahlt werden sollen.
„Wir versprechen uns viele Verbesserungen von einem Wechsel“, sagt Arnd Grotjohann noch. Dann startet er den Motor, der Wagen rollt los. Das flaue Gefühl fährt mit.