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Lieblingsgerät statt Zitterbalken

Lieblingsgerät statt Zitterbalken

Glasgow. 

Die „Balken-Offensive“ trägt erste Früchte. Nachdem die Bronzemedaille von Pauline Schäfer bei der Turn-Weltmeisterschaft in Glasgow wahre Jubelstürme im deutschen Lager ausgelöst hatte, wollte Cheftrainerin Ulla Koch jedoch nicht vom ersten sichtbaren Erfolg ihrer Bemühungen sprechen. „Wir sind schon bei den Europäischen Jugendspielen am Balken erfolgreich gewesen, und schließlich stand Pauline ja auch im EM-Finale von Montpellier“, sagte Koch in der Stunde des unerwarteten Erfolges in Schottland.

Noch nie zuvor hatte eine Turnerin des Deutschen Turner-Bundes an diesem Gerät eine WM-Medaille gewonnen. Die 18-jährige Saarbrückerin holte sich die Medaille nicht mit einer perfekten Übung, aber mit Köpfchen. Sie ließ sich von der Cheftrainerin breit schlagen und verzichtete auf ihren schwierigen, aber eben nie ganz sicheren „Schäfer-Salto“.

Noch am Abend beim Abschlussbankett im Wissenschaftsmuseum von Glasgow schüttelte Schäfer ungläubig den Kopf: „Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich die Medaille umhängen habe.“ Viel Zeit zum Feiern – vor allem wegen des damit verbundenen Olympia-Tickets – bleibt nicht. „Es geht direkt zurück nach Chemnitz, weil am Mittwoch schon das Gander-Memorial in der Schweiz ansteht“, erklärte sie, warum sie nicht erst einmal im heimischen Bierbach mit Eltern und Freunden den Erfolg genießen kann.

Spekulationen kamen nach ihrem Erfolg auf, ob es denn mit dem „Schäfer-Salto“ sogar WM-Silber geworden wäre. Doch Schäfer winkte ab: „Ich bin so froh über die Medaille. Wir haben alles richtig gemacht.“ Die seit Glasgow erfolgreichste Turnerin der WM-Geschichte, die US-Amerikanerin Simone Biles, hätte sie sowieso nie gefährden können. Mit ihren Titeln neun und zehn an Boden und am Schwebebalken zog sie an den bisher die Rangliste anführenden Russinnen Larissa Latynina und Swetlana Chorkina vorbei, die in der Vergangenheit ebenso je neun WM-Titel gesammelt hatten wie die Rumänin Gina Gogean.

Spezialistin aus Kanada

Neben der außergewöhnlichen Befähigung von Pauline Schäfer für das Balken-Turnen – „Es ist seit jeher mein Lieblingsgerät“, sagt sie – dürften Gründe in der vor Jahren initiierten „Balken-Offensive“ der Deutschen zu suchen sein. Speziell ein Name steht für die neuen Trainingsformen: Carol-Angela Orchard, die alle nur C. A. oder gar in höchsten Tönen die „Balken-Fee“ nennen. Die Kanadierin arbeitet seit zwei Jahren als Honorartrainerin für den DTB und begeistert die Turnerinnen mit der von ihr vermittelten Sicht auf das nur zehn Zentimeter breite Gerät. „See the beam“ (übersetzt: Sieh auf den Balken!) ist das häufig gebrauchte Stichwort für ihre Arbeit.