Sotschi.
Als Natalie Geisenberger im olympischen Eiskanal durch das Ziel gefahren war und im vierten Lauf ihr goldenes Meisterstück perfekt gemacht hatte, herzte sie erst Bundestrainer Norbert Loch. Aber dann stürmte sie direkt auf ihren Vater zu. Helmut Geisenberger ließ sich nicht zurückhalten und kämpfte sich durch die Fotografen-Menge zu seiner Tochter durch. Sekundenlang lagen sie sich in den Armen. „Mein Vater war wohl noch nervöser als ich“, erzählte die 26-jährige Olympiasiegerin. „Er lebt dafür. Das ist süß.“
Auch das Silber ging zwei Tage nach dem Rodel-Einsitzer-Gold von Felix Loch nach Deutschland. Tatjana Hüfner lag allerdings schon über 1,1 Sekunden hinter ihrer Teamkollegin. Die Umarmung der beiden Deutschen fiel unterkühlt aus. Die beiden sind nicht gerade beste Freundinnen. Hüfner beklagte sich später sogar: „Natalie Geisenberger bekommt deutlich mehr Unterstützung.“
„Ich wusste, dass ich gut aufgestellt bin, aber man muss es erst mal runter fahren“, sagte Geisenberger, „bei Kurve 17 wollte ich schon kreischen. So eine Fahrt kann man auch mal genießen.“
Hackl, der Vater des Erfolges
Wie akribisch die Deutschen an ihren Kufen tüfteln, wissen wir alle seit Georg Hackl. Der Hackl-Schorsch hat auch einen großen Anteil am deutschen Goldrausch. Beide Olympiasieger von Sotschi, Geisenberger und Felix Loch, arbeiten mit Hackl zusammen. Die Königssee-Connection hat der nationalen Konkurrenz aus Thüringen und Sachsen den Rang abgelaufen. Heute könnte es das dritte Gold für die verschworene Gemeinschaft aus Bayern geben, denn auch der Doppelsitzer-Goldkandidat Tobias Wendl/Tobias Arlt kommt aus der Trainingsgruppe um Geisenberger und Loch.
„Wenn die beiden Tobis auch noch am Mittwoch gewinnen, können wir mit unserer Gruppe am Donnerstag das komplette deutsche Team stellen“, freute sich Felix Loch. „Die Stimmung bei uns in Königssee ist super. Wenn einer mal einen Durchhänger hat, dann zieht ihn ein anderer wieder hoch.“
Der 47-jährige Hackl, der dreimal Olympiasieger war, ist heute Bundestrainer Technik. Aber zuständig ist er nur für die Schlitten seiner Bayern. Der „Doktor der Kufen“ hat seine Künste noch weiter verfeinert. Wer mit Hackls Schlitten durch die Eisrinne rast, hat schon fast gewonnen. „Natalie zweifelt nicht mehr an sich, rodelt locker und befreit auf, macht weniger Fehler als früher“, sagt Hackl.
Das bayerische Original kennt natürlich noch Gerda Weißensteiner. Aber wer noch? Die Südtirolerin war die letzte Olympiasiegerin im Rodel-Einsitzer, die keinen deutschen Pass hat. Lang ist es her: 1994 in Lillehammer gewann Weißensteiner vor Susi Erdmann. Ähnlich dominant sind deutsche Sportler bei Olympischen Spielen nur im Dressur-Teamwettbewerb aufgetreten. Hier hieß der Olympiasieger von 1984 bis 2008 immer Deutschland.
Die Königssee-Connection
Die Überlegenheit der deutschen Rodler ist das Resultat aus harter Arbeit und bestmöglicher Förderung. Da die Erfolge seit Jahren immens sind, fällt auch die finanzielle Unterstützung entsprechend hoch aus. Vier Kunsteisbahnen in Altenberg, Oberhof, Königssee und Winterberg bieten optimale Trainingsbedingungen, das Material lässt nichts zu wünschen übrig.
„In erster Linie ist es harte, sehr harte Arbeit“, sagt Geisenberger auf die Frage nach einem Erfolgsrezept. „Auch wenn ich im Sommer meinen Sport nicht ausüben kann, so versuche ich in jedem Training an meine Grenzen zu gehen. Meist zehn Mal pro Woche. Zweifelsohne habe ich aber auch körperliche Vorteile. Meine langen Arme helfen mir am Start.“
Haben die anderen Nationen überhaupt noch eine Chance gegen die Königssee-Connection um die Olympiasieger Loch und Geisenberger? Felix Loch hat die Antwort parat: „So lange Natalie und ich noch aktiv sind, darf es ruhig so bleiben.“