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Görges und der deutsche Tennis-Frühling

Görges und der deutsche Tennis-Frühling

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Stuttgart. 

Es ist dieser Tage nicht schwer, Frühlingsgefühle zu entwickeln. Obstbäume blühen, Magnolien treiben aus, alles riecht wie neu. Einen April wie diesen muss man einfach mögen, und ein Frühjahr wie dieses hat das deutsche Frauentennis lange nicht erlebt. Zuerst die Erfolge von Andrea Petkovic in Miami, dann der klare Sieg der Mannschaft im Fed Cup gegen die USA, und am Ostersonntag schließlich der Triumph von Julia Görges im Finale des Grand Prix von Stuttgart gegen eben jene Nummer eins, die auch Petkovic in Miami bezwungen hatte: Caroline Wozniacki.

Nun muss man sich fast die Augen reiben beim Blick auf die neueste Weltrangliste, in der zum ersten Mal seit 1999 wieder zwei deutsche Spielerinnen zu den besten 30 gehören: Petkovic als 15., Görges auf Platz 27.

Und es war ja nicht nur das letzte Spiel der bemerkenswerten Tage in der Stuttgarter Porsche Arena, das bei den Schwaben Funken schlug. Schon im Halbfinale gegen Titelverteidigerin Sam Stosur aus Australien, Nummer sieben der Welt, hatte Julia Görges gezeigt, dass die Dinge anders sind als früher.

So wie schon vor ein paar Monaten bei den Australian Open in Melbourne, als sie nach einem großen Aufritt nur knapp gegen Maria Scharapowa verloren und hinterher gesagt hatte: „Früher hat es oft an mir selber gelegen; ich war nicht fit genug und habe gegen den Namen gespielt, der auf der anderen Seite stand. Aber ich habe begriffen, dass ich keine Angst vor großen Namen haben und mir nicht ins Hemd machen darf.“

Die Erkenntnis verdankt sie ihrem Coach Sascha Nensel, mit dem sie seit knapp zwei Jahren in Hannover trainiert. Nensel, früher selbst Profi, arbeitete unter anderem mit dem inzwischen zurückgetretenen Nicolas Kiefer und gilt als vergleichsweise harter Hund. „Als Coach kann man nicht der beste Freund sein“, sagt Barbara Rittner, die Chefin des Fed Cup Teams. „Sascha nimmt kein Blatt vor den Mund, und wenn Jule es schafft, seine Härte und Konsequenz auszuhalten, kann daraus eine Menge werden.“

Es war offensichtlich der richtige Ansatz, um aus der talentierten, aber leicht aus dem Konzept zu bringenden Spielerin eine Athletin mit Mumm und Selbstvertrauen zu machen. Sowohl gegen Stosur als auch im Finale gegen Wozniacki trat Görges so auf, als sei sie die Favoritin; sie blieb standhaft in Situationen, in denen sie sich früher zurück genommen hätte, schlug variabel und höchst wirkungsvoll auf und machte Punkte, die das Stuttgarter Publikum von den Sitzen riss.

Es gab einen einzigen Moment am Tag des Finales, in dem sie eher wie ein kleines Mädchen als wie eine hungrige, selbstbewusste Frau wirkte: Das war, als sie nach dem Matchball mit einem kleinen Hüpfer, der an einen Bauchklatscher im Schwimmbad erinnerte, auf der Grundlinie landete. Später, als sie sich umgezogen und den roten Sand von der rechten Wange gewischt hatte, wunderte sie sich immer noch über ihren Auftritt und meinte: „Erstaunlich, wie tough ich heute war.“

Nach einer Woche, in der Andrea Petkovic fast belagert worden war, drehte sich am Ende alles um Fräulein Görges aus Bad Oldesloe, die erste deutsche Siegerin bei diesem Turnier seit Anke Huber vor 17 Jahren. Die sagt, es gehe nicht darum, wer die Nummer eins, zwei oder drei in Deutschland sei, es käme auf den Stand in der Weltrangliste an. Barbara Rittner ist überzeugt, dass ein gesunder Konkurrenzkampf den beiden Besten ebenso viel bringen wird wie denen, die aus der zweiten Reihe auf dem Weg nach vorn sind wie Sabine Lisicki.

Die deutschen Tennis-Damen ziehen nun nach Madrid, weiter gen Rom und schlagen dann bei den French Open in Paris auf. Und man kann davon ausgehen, dass sich auch Spanier, Italiener und Franzosen für diese Damen aus Deutschland interessieren werden. Und zwar nicht mehr nur, weil sie aussehen, wie sie aussehen, sondern weil sie spielen, wie sie spielen.