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Worin sich Bundesliga und Premier League unterscheiden

Worin sich Bundesliga und Premier League unterscheiden

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Düsseldorf. Die kleine Düsseldorfer Firma „Mastercoach“ hat ein Spielanalysesystem entwickelt, das jede Bewegung auf dem Feld registriert und auswertet. Anhand der gesammelten Daten können die Analysten unter anderem erklären, warum die Bundesliga nicht auf Augenhöhe mit der Premier League ist.

Auf dem Bildschirm blinken rote und blaue Punkte. Mit Nummern versehen, bewegen sie sich auf grünem Grund mal nach links, dann wieder nach rechts, immer dem kleinen stilisierten Ball hinterher. Jetzt lösen sich zwei Punkte aus der Masse, es wird hektisch. Und dann ist der Ball plötzlich im Tor. Kurze Pause, die Mannschaften versammeln sich am Mittelkreis. Das Spiel beginnt von Neuem.

Was an eine Computeranimation aus der Commodore C64-Zeit erinnert, ist in Wahrheit das Spiel Deutschland – Spanien. 0:1 verlor die deutsche Nationalmannschaft im Finale der Europameisterschaft 2008 gegen die Spanier. Warum – das berechnen Jens Urlbauer und seine Kollegen von der Düsseldorfer Firma „Mastercoach“.

Per Mausklick können sie beispielsweise nachvollziehen, mit welchem Tempo Fernando Torres auf das deutsche Tor zustürmte. 32 km/h hatte der spanische Stürmer mit dem Ball am Fuß kurz vor dem Strafraum drauf. „Beim Schuss im Sechzehner waren es immer noch über 20 km/h“, erläutert Jens Urlbauer. Anhand seiner Daten weiß er auch, wo und wie genau sich der entscheidende Abstimmungsfehler zwischen Philipp Lahm und Jens Lehmann ereignete. Oder welcher deutsche Gegenspieler schuld war, dass Xavi den tödlichen Pass auf Torres überhaupt spielen konnte.

3.000 Situationen vom Kurzpass bis zum Kopfballtor

Möglich wird das durch das Spielanalysesystem Amisco, das die Düsseldorfer rund um Geschäftsführer Urlbauer entwickelt haben. Bis zu 3.000 Situationen vom Kurzpass bis zum Kopfballtor werden pro Spiel aufgezeichnet. Acht Sensoren, die unterhalb des Stadiondachs installiert sind, erfassen jede noch so kleine Bewegung auf dem Platz, nach Abpfiff werten Analysten die Daten aus und bilden sie in einer 2D-Animation ab: Was an eine Computeranimation aus der Commodore C64-Zeit erinnert, ist in Wahrheit die technische Kompletterfassung eines Fußballspiels.

Laufprofil mit exakten physischen Daten

Zwei deutliche Vorteile habe „Amisco“ deswegen gegenüber der konventionellen Videoanalyse, sagt Urlbauer. „Wir zeigen nicht nur einen Spielfeldausschnitt, sondern eine Animation des kompletten Platzes. Außerdem können wir für jeden Spieler ein Laufprofil mit exakten physischen Daten liefern.“

Wie viele Kilometer hat Lukas Podolski während des EM-Finales zurückgelegt und ist er hauptsächlich gespurtet oder bloß getrabt? Stand Bastian Schweinsteiger nah genug an seinem Gegenspieler? Wer hat das Loch in der Viererkette verursacht? Urlbauer und sein Team können diese Fragen beantworten.

Den DFB und einige Bundesligisten versorgen die Düsseldorfer regelmäßig mit Fakten. Die können nicht nur dem Fitness-Coach helfen, sondern auch dem Trainer. „Wir liefern objektive Daten, die für den Coach beispielsweise ein Mittel sein können, während der Mannschaftssitzung ganz sachlich zu argumentieren und auch beratungsresistente Spieler mit Tatsachen zu konfrontieren“, erklärt Urlbauer.

Wie sich Premier League und Bundesliga unterscheiden

„Ganz sachlich“ kann er übrigens auch erklären, warum sich die deutsche Bundesliga mit der englischen Premier League nicht auf Augenhöhe befindet. „Es ist tatsächlich so, dass die Intensität dieser beiden Ligen eine andere ist“, sagt der Düsseldorfer und führt aus: „Die Deutschen laufen nicht weniger als die Engländer. Aber sie spurten weniger. Das können wir messen.“ Außerdem wird in der Premier League schneller gespielt als in der Bundesliga: „Der sogenannte One-Touch-Fußball steht in England für ein schnelleres Spiel, das ist messbar an den Kennziffern Ballkontakte pro Ballbesitz und durchschnittliche Ballbesitzzeiten“, so Urlbauer. In der Premier League stünden weniger Ballkontakte dafür, dass der Ball schneller (sprich: direkter) weitergespielt werde und damit auch durchschnittlich weniger Zeit am Fuß eines Spielers sei.

Auch Hoffenheims Rückrunde lässt sich berechnen

Auch die schlechte Rückrunde der Hoffenheimer kann Urlbauer statistisch begründen: „Anhand unserer Aufzeichnungen sehen wir, was sich bei der TSG verändert hat.“ Und was ist das genau? Urlbauer lacht. „Das darf ich natürlich nicht verraten.“ Denn neben dem Hamburger SV, Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund ist auch die TSG Hoffenheim Kunde bei „Mastercoach“. „Und das Motto unserer Firma lautet Wir liefern Fakten, keine Meinungen. Die Kommentierung von Spielaktionen und insbesondere Einzelspielerkritiken werden Sie daher von uns nicht erhalten.“ Und so kommt auf die Frage, wo und wie genau sich im Finale der Euro 2008 der entscheidende Abstimmungsfehler zwischen Philipp Lahm und Jens Lehmann ereignete, oder welcher deutscher Gegenspieler schuld war, dass Xavi den tödlichen Pass auf Torres überhaupt spielen konnte, aus Düsseldorf keine Antwort.

Bei aller Rechnerei – wer Meister wird, ob Bochum drin bleibt oder doch noch absteigt, das kann auch Urlbauer nicht vorhersagen. „Wir liefern nur ein Mosaikstückchen im großen Ganzen, wir können den Fußball insgesamt nicht erklären“, sagt der „Mastercoach“-Chef. Und vielleicht ist das auch gut so. „Denn das ist ja eben das Schöne an diesem Sport: Am Ende passiert doch immer wieder das Unerwartete.“