Im Millionengeschäft Fußball hat längst nicht jeder Profi ausgesorgt. Bekannte Gesichter scheuen jedoch das Vertragslosen-Camp der Gewerkschaft in Duisburg.
Duisburg.
Die Sportschule Wedau bietet beste Voraussetzungen, um sich auf eine Fußballsaison vorzubereiten. Auf einem der sechs Rasenplätze testet Georg Koch gerade die Reaktionsschnelligkeit seiner Torhüter. Daniel Masuch lehnt mit dem Rücken an den Pfosten, als Koch fünf Meter vor ihm stehend abzieht. Dietmar Hirsch hat derweil die Feldspieler in der Duisburger Sonne ins Schwitzen gebracht. „Der Aydin trinkt ja schon seine dritte Flasche“, ruft Koch dem Trainerkollegen erstaunt herüber. „Er hat ja auch schon so viel gearbeitet“, antwortet der Chefcoach.
Es scheint so, als stimmen Dietmar Hirsch und Georg Koch sich hier mit einem Profi-Team auf die neue Spielzeit ein, wie es in der Bundesliga gerade üblich ist. Darüber würden sich Masuch, der von der Regionalliga bis zur 2. Liga für Oberhausen, Essen und Münster im Tor gestanden hat, und Aydin Mehinovic, zuletzt bei Oberligist Sonsbeck aktiv, freuen. Mit zwölf anderen halten sie sich im Camp der Vereinigung der Vertragsfußballspieler fit, um in den nächsten Wochen irgendwo unterzukommen. Denn die Kicker, ob 18 oder 38 Jahre alt, sind vertragslos.
Der eigene Schatten ist oft zu groß
Natürlich sind diese 14 nur ein Bruchteil derer, die für die neue Saison noch bei keinem Verein unterschrieben haben. „Es gibt immer noch welche, die nicht über ihren Schatten springen und ins Camp kommen“, erzählt Dietmar Hirsch, früher Profi beim MSV Duisburg und nach seinem Trainerengagement beim Drittligisten Elversberg 2013/2014 selbst auf der Suche nach einem Job. Der FC Arbeitslos ist diesmal aber eine Ansammlung von Fußballern, die kaum im Rampenlicht gestanden haben. Anders als namhaftere Teilnehmer vergangener Jahre wie Ex-Nationalspieler Christian Rahn oder der frühere Dortmunder und Duisburger Antonio da Silva.
Die Tür zum Camp, das bis Mitte September läuft und von dessen Teilnehmern in der Vergangenheit 80 Prozent ein neues Arbeitspapier bekommen haben, stünde jedoch auch beispielsweise Heiko Westermann offen. „Er ist ja Mitglied unserer Spielergewerkschaft“, sagt VDV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky, „er kann gerne kommen.“ Unwahrscheinlich, dass Westermann nach seiner Trennung vom HSV dieses Angebot annimmt.
Hoher Verdienst, aber kleiner Markt
In den letzten Jahren haben Profis wie Gerald Asamoah oder Manuel Friedrich, die über weite Strecken ihrer Karriere viel Geld verdient haben, lieber am Trainingsbetrieb unterklassiger Vereine teilgenommen, bis ein Manager anrief. Arbeitslosigkeit gestehen sich viele Kicker nicht gerne ein. Das macht das inzwischen 13. Camp trotz fehlender Prominenz nicht überflüssig. „Es geht darum, den Anschluss zu finden, dass man dann über Jahre ein festes Einkommen hat“, sagt Carsten Ramelow, 2002 Vize-Weltmeister, heute VDV-Vizepräsident.
Denn rechnet man mal mit 35 Personen (Spieler, Trainer, Betreuer, Manager, Vereinschefs etc.) im direkten Umfeld einer der 54 Erst- bis Drittliga-Teams, ergibt das einen Markt von nicht einmal 2000 Arbeitnehmern. Eine Studie, nach der nur zehn Prozent aller Profis noch bis zur Rente von den Gehältern leben können und ein Viertel gar zum Karriereende pleite ist, hält Baranowsky für überholt: „Wer zehn Jahre in der Champions League gespielt hat, bei dem sollte es auch noch für die Kinder und die Enkelkinder reichen. Es gibt schon in der Bundesliga ein großes Gefälle, aber bei einem Drittligaspieler ist das vergleichbar mit einem guten Normalverdiener. Und so mancher Fußballer erliegt eben doch der Versuchung, seinen Lebensstil während der aktiven Zeit hochzufahren.“
Wenn Plan B wichtig wird
5000 Euro im Monat bis zum Karriereende zu verdienen, erlaubt es keinem Spieler, die Lebensplanung jenseits der 36 oder 38 außer Acht zu lassen. Deswegen bietet die VDV im Camp auch Beratung in den Bereichen Bildung und Vorsorge an. Laufbahncoach Frank Günzel holt das nach, was mancher Berater in ersten Jahren der Karriere versäumt hat: „Manchen muss man hier leider ihre Lebensrealität vor Augen führen, ohne ihnen vor den Kopf zu stoßen.“ Denn einen Plan B hätten die Wenigsten.