Schalkes Ehrenpräsident Gerd Rehberg mahnt vor der Jahreshauptversammlung eine faire Diskussion an. Und sagt: „Wir sollten unsere Vereinsform beibehalten – auch wenn das manchmal anstrengend ist.“
Gelsenkirchen.
Zumindest die Uhrzeit ist wie immer stilecht gewählt: Nicht um 13 Uhr, sondern um 13.04 Uhr beginnt am Sonntag in der Arena die Jahreshauptversammlung des FC Schalke 04. Viele Beobachter befürchten nach dem großen Frust in der vergangenen Saison hitzige Debatten. Schalkes Ehrenpräsident Gerd Rehberg (79) erwartet, dass es „fair und sachlich“ bleibt.
Herr Rehberg, gehen Sie am Sonntag mit einem unguten Gefühl in die Jahreshauptversammlung?
Gerd Rehberg: Nein, aber mit einer gespannten Erwartung. Es hat ja in den vergangenen Monaten einige Turbulenzen auf Schalke gegeben. Ich erwarte, dass Diskussionen fair und sachlich bleiben. Jeder hat das Recht, sich zu äußern, aber es sollte sauber und anständig ablaufen.
Es gibt Schalker, die sich für das, was beim letzten Heimspiel der vergangenen Saison gegen Paderborn in der Arena passiert ist, geschämt haben. Zählen Sie auch dazu?
Rehberg: Zunächst einmal: Was gegen Paderborn von unserer Mannschaft spielerisch geboten wurde, war leider wirklich eine Zumutung. Aber ich persönlich habe das Verhalten einiger Fans nicht verstanden: Wenn Spieler wie zum Beispiel Max Meyer, Julian Draxler oder Joel Matip, die aus unserem Verein kommen, so angegangen werden, dann passt das nicht zu Schalke. Ich habe später einmal mit einem unserer jüngeren Spieler darüber gesprochen, der war total am Boden zerstört.
Die Kritik richtete sich aber nicht nur gegen die Mannschaft, sondern vor allem auch gegen Clemens Tönnies und Horst Heldt.
Rehberg: Ich kenne Clemens Tönnies seit über 20 Jahren, und ich weiß genau, mit wie viel Herzblut er an diesem Verein hängt. Und zu Horst Heldt: Ich habe das früher in der Politik selbst oft erlebt: Man stimmt für etwas ab und hinterher stellt sich heraus, dass es eine falsche Entscheidung war. So stellt man auch bei manchen Spielern erst im Nachhinein fest, dass es falsch war, sie zu holen. Wenn man für ein paar Millionen Euro eine Maschine kauft, dann weiß man vorher, was dabei herauskommt – bei Spielern weiß man das nicht.
Die Verpflichtung von Roberto Di Matteo hat sich aber als sehr teurer Fehler herausgestellt…
Rehberg: Bei Roberto Di Matteo habe ich selbst lange gedacht: Da habe wir wirklich mal einen guten Trainer. Aber da habe auch ich mich geirrt.
Die Diskussion über solche Fehleinschätzungen dürfte am Sonntag so im Mittelpunkt stehen wie vor zwei Jahren die hitzig geführte Debatte über den Viagogo-Vertrag. Ist der Ton auf Schalke rauer geworden?
Rehberg: Der Verein hat sich weiterentwickelt, wir gehen auf die Zahl von 140 000 Mitgliedern zu. Auch durch diese Größe kann man teilweise nicht mehr ganz so dicht bei allen Fans sein, wie es einmal war. Aber es gibt wieder viele Angebote, diese Nähe herzustellen.
Neben der Debatte über die sportliche Lage gibt es auch andere brisante Themen wie zum Beispiel die Weichenstellung für eine mögliche Erhöhung der Sonderumlage der Mitglieder. Was halten Sie davon?
Rehberg: Sie sagen es ganz richtig: Die vorgeschlagene Satzungsänderung würde nur die Voraussetzung dafür schaffen, dass die Mitglieder später selber über eine mögliche Erhöhung der Sonderumlage entscheiden. Und damit darüber, ob sie den Belangen des ideellen Bereichs und Breitensports zukünftig einen größeren Rahmen geben wollen.
Clemens Tönnies hatte im Frühjahr ja schon die Diskussion über die 1000-Euro-Spende angestoßen. Viele Mitglieder haben das Gefühl, dass es auch auf Schalke irgendwann in Richtung Ausgliederung der Profiabteilung gehen wird.
Rehberg: Meine Meinung ist: Wir sollten unsere Vereinsform beibehalten – auch wenn das manchmal durch die lebhaften Diskussionen ein bisschen anstrengend ist. Auf Schalke soll jedes Mitglied seine Probleme und Sorgen weiter vortragen können: Das ist hier ein hohes Gut, und ob das bei einer Kapitalgesellschaft in dieser Form möglich ist, bezweifele ich.
Bei der Versammlung vor zwei Jahren drohte Clemens Tönnies indirekt mit seinem Rückzug, sollte sich auf Schalke der Umgang nicht ändern. Halten Sie ein solches Szenario für möglich?
Rehberg: Clemens Tönnies ist kein Typ, der wegläuft. Dass es sportlich in der vergangenen Saison nicht nach Wunsch gelaufen ist, geht ihm und Horst Heldt genauso nahe wie allen Fans: die beiden leiden doch auch wie ein Hund.
Richten Sie sich darauf ein, dass Sie als Ehrenpräsident am Sonntag auch mal schlichten müssen?
Rehberg: Ich höre mir die Diskussion an, und wenn ich meine, etwas sagen zu müssen, dann werde ich das tun. Mir ist wichtig, dass wir abends auseinandergehen mit dem Gefühl, eine saubere Veranstaltung hinter uns gebracht zu haben.