Tampere. Die gebürtige Essenerin vom FCR Duisburg war in der Nationalelf jahrelang Verteidigerin. Bei der Europameisterschaft in Finnland entfaltet sich Linda Bresonik im Mittelfeld.
Linda Bresonik drückt nocheinmal eine widerspenstige Strähne gegen die Stirn, dann geht es los mit dem All-inclusive-Lob für die deutschen Fußballerinnen. Angefangen bei der fast gänzlich undurchlässigen Viererkette in der Abwehr über die Kopfballdominanz im Mittelfeld bis hin zu einem Dutzend exquisiter Torgelegenheiten – die Suche nach einem Makel beim EM-Auftakt gegen Norwegen fällt der Frau vom FCR Duisburg ganz offensichtlich schwer. Gut, dass ein Dutzend Einschusschancen nur dank der Last-Minute-Treffer der Einwechselkräfte Fatmire Bajramaj (2) und Anja Mittag noch in ein ansehnliches 4:0 mündeten – solche Schluderei sollten sich die Titelverteidigerinnen allein aus Rücksicht auf das Nervenkostüm von Trainerin Silvia Neid künftig verkneifen. Aber sonst? Bresonik überlegt lange, sagt dann: „Vieles ist nicht mehr zu verbessern.“
Eine bemerkenswerte Aussage nach dem ersten von – im besten Fall – sechs Auftritten der DFB-Elf im Süden Finnlands. So beachtlich wie der Rollenwandel, den Linda Bresonik seit den Olympischen Spielen im Vorjahr im Team der amtierenden Welt- und Europameisterinnen mitgemacht hat. Mangels Alternativen rackerte sich die Frau mit dem modischen Kurzhaarschnitt jahrelang auf der linken Abwehrseite ab. Dann aber lag die Kreativabteilung im deutschen Mittelfeld nach dem Karriere-Ende von Renate Lingor nach Olympia brach – und Bundestrainerin Neid stopfte die Lücke kurz entschlossen mit jener Spielerin, die bereits am 10. Mai 2001 ihre Feuertaufe in der Nationalelf abgelegt hatte.
Debüt mit zarten 17
Damals war Bresonik, die sich mit ihren Kolleginnen gestern in Tampere bei strahlendem Sonnenschein auf das Frankreich-Spiel am Donnerstag vorbereitete, zarte 17. Bei dieser EM bildet die nun 25-Jährige gemeinsam die Mittelfeldzentrale mit der erst 19-jährigen Kim Kulig, dem neuen „Shooting-Star” im deutschen Team. Wobei Bresonik in aller Regel den offensiven Part übernimmt.
Etwas überrascht war die gebürtige Essenerin anfangs schon über ihre Verpflanzung innerhalb der Mannschaft. „Ich versuche, meine Rolle so gut wie möglich zu spielen – und offensichtlich glaubt die Trainerin, dass ich im Mittelfeld nun am wertvollsten bin“, kommentierte Bresonik ihre Umschulung zunächst mit unüberhörbarem Zweifel. Doch das zwiespältige Gefühl ist längst einem gesunden Selbstbewusstsein gewichen: Nachdem die ersten dicken Chancen gegen Norwegen vergeben waren und die DFB-Auswahl nach einem Foul an Birgit Prinz einen Strafstoß zugesprochen bekam, schritt Linda Bresonik mit der größten Selbstverständlichkeit zum Elfmeterpunkt und traf, wenngleich etwas glücklich, zur Führung.
Torjubel mit allen
Es sah wie eine Selbstverständlichkeit aus – und für die Schützin war es auch eine. Schließlich wird die Ausführung von Strafstößen im deutschen Team sehr flexibel ge-handhabt. „Es schießt immer die, die sich sicher fühlt“, erklärt Bresonik und betont: „Deshalb habe ich mir den Ball auch geschnappt.“
Silvia Neid mag solche offensiven Charaktere, die sich vor keiner Verantwortung drücken. Nicht zuletzt deshalb dürfte sie die ausgebildete Groß- und Außenhandelskauffrau zum Mittelpunkt ihres Teams befördert haben.
Nach ihrem Elfmetertor gegen Norwegen stürmte Linda Bresonik zum Jubeln schnurstracks zur Seitenauslinie. „Ich wollte zeigen“, sagte sie nachher, „dass wir ein Team sind, dass alle dazu gehören.“