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Gerd Müllers 70. Geburtstag ist ein trauriger

Gerd Müllers 70. Geburtstag ist ein trauriger

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Foto: imago sportfotodienst
Der größte Torjäger der deutschen Fußballgeschichte kann an diesem Dienstag seinen runden Geburtstag nicht groß feiern. Er leidet an Alzheimer.

Essen. 

Ein Abwehrspieler säbelt über den Ball, und plötzlich stehst du alleine vor dem Kasten. Der Torwart kommt dir entgegen, du hast alle Möglichkeiten. Du kannst ihn umspielen, du kannst den Ball in die Ecke schieben, du kannst vielleicht sogar einen Heber wagen. Und während du die Varianten durchgehst, ohne wirklich Zeit dafür zu haben, springt dir der Ball vom Fuß. Chance vertan.

Jeder Stürmer aus jeder Liga kennt so eine Situation, auch Bundesligafußballern ist sie nicht fremd. Wie kann man sie bloß vermeiden? Ganz einfach: nicht denken! „Wenn’s denkst, ist’s eh zu spät“, hat Gerd Müller gesagt. Und der muss es wissen.

Müller lebt inzwischen in einem Pflegeheim

Er ist schließlich der „Bomber der Nation“. Das klingt so furchtbar kriegerisch, ist aber doch nur ein sportlicher Ehrentitel: für den Rekordtorschützen der deutschen Fußballgeschichte, für einen einzigartigen, unerreichten Instinktfußballer.

An diesem Dienstag wird Gerd Müller 70 Jahre alt. Die Fußballfamilie verneigt sich hochachtungsvoll vor ihm, doch sie feiert nicht mit ihm. Es wird keine Party geben, der Jubilar wäre dafür zu krank. Was Insidern schon seit längerem bekannt war, machte der FC Bayern vor einem Monat öffentlich: Gerd Müller leidet an Alzheimer, er lebt in einem Pflegeheim.

Bayern halfen in der ersten Krise

„Das macht mich einfach nur traurig“, sagt Uwe Seeler, der frühere Sturmpartner aus der Nationalmannschaft. „Er hat die Krankheit schon ein paar Jahre, er kann einem nur leid tun.“

Den Kampf gegen den Gedächtnisverlust wird Gerd Müller nicht gewinnen können. Auch seine Freunde, die ihn schon einmal in einer schweren Lebenskrise auffingen, fühlen sich diesmal hilflos.

Nachdem Gerd Müller 1979 vom damaligen Bayern-Trainer Pal Csernai mit kühler Respektlosigkeit aussortiert worden war, flüchtete der Welt- und Europameister in die USA. In Fort Lauderdale in Florida ließ er seine unvergleichliche Karriere ausklingen, zudem eröffnete er dort auch ein Steakhaus. Doch in der Welt außerhalb des Rasen-Rechtecks hatte er keine Problemlösungen parat wie früher im Strafraum, das Geschäft führte in die Pleite. Und überhaupt: Was suchte er eigentlich in Amerika? „Die ewige Sonne ging mir am Ende auf den Geist“, erzählte er. Die wahre Wärme der Heimat hatte ihm gefehlt, er zog mit Ehefrau Uschi und Tochter Nicole zurück nach München. Doch er verpasste es, wieder Anschluss zu finden, er wollte seine Ruhe haben. „Ich war froh, wenn keine Journalisten anriefen, und vor Partys hat es mir immer gegraust“, sagte er, „ich habe lieber mit Rentnern Schafkopf gespielt.“

Gerd Müller begann sich zu langweilen, Alkohol war sein Tröster.

Würdigungen waren Müller immer eher peinlich

Die ehemaligen Mitspieler Uli Hoeneß, Franz Beckenbauer und Karl-Heinz Rummenigge hielten die Sturzfahrt zu Beginn der 90er-Jahre auf. Sie vermittelten Gerd Müller eine Therapie und gaben ihm eine neue Aufgabe, indem sie ihn in den Trainerstab aufnahmen. „Das war mein Glück, alleine hätte ich es nicht geschafft“, gestand er.

Einige Jahre assistierte er Hermann Gerland, dem Trainer der zweiten Bayern-Mannschaft, dem er stets bescheiden zu Diensten war. Gerland erzählte: „Ich habe zu ihm gesagt: Gerd, du kannst hier machen, was du willst, du bist ein Denkmal beim FC Bayern.“ Aber solche Würdigungen waren ihm immer eher peinlich. Er fühlte sich nicht als Idol, der König der Torjäger thronte nie auf dem Mount Ego.

Das bescheidene Idol

Wie hoch wäre wohl eine Ablösesumme, die im überhitzten Fußballgeschäft der Neuzeit für dieses Ballgenie aufgerufen würde? „Kleines dickes Müller“ nannte ihn sein erster Bayern-Trainer Tschik Cajkovski, der 1964 beim Anblick des Neuen spöttisch fragte: „Was soll ich mit einem Gewichtheber?“

Der Gewichtheber erwies sich als Ausnahmestürmer. „Ohne die Tore von Gerd Müller würden wir beim FC Bayern heute immer noch in dem Holzhäusl an der Säbener Straße sitzen“, hat Franz Beckenbauer vor Jahren gesagt.

Kleines großes Müller.