Osnabrück. Der VfL Osnabrück soll abgestiegen sein wegen Schiebereien. Doch das Spiel muss weitergehen, und so erlebt die Stadt am Samstag einen merkwürdigen Fußball-Nachmittag. Ein Verdächtiger und sein Verein zelebrieren die Normalität.
An diesem Samstag in Osnabrück wartet man darauf, dass die Hintergründe des Wettskandals langsam sichtbar werden. So wie früher die Konturen auf Filmen, die im Entwicklerbad lagen.
Aber es ist ein zähes und am Ende vergebliches Warten.
Es beginnt in der Gaststätte Hüggelmeyer vor dem Stadion des Fußball-Drittligisten VfL Osnabrück. Drei Spieler des VfL sollen in der vergangenen Saison zwei Zweitliga-Spiele der Osnabrücker manipuliert haben.
Bei Hüggelmeyer gibt es keine Niederlagen, dafür den Siegertrunk, einen Kräuterlikör für 1,50 Euro, zum Pils. Die Menschen tragen Pullover und Hemden in der Vereinsfarbe Lila. In einer Stunde spielt der VfL gegen die Reserve von Borussia Dortmund. An der Theke sprechen sie über Betrug im Fußball. Die Diskussion dreht sich aber nicht um den VfL, sie dreht sich um den Franzosen Thierry Henry und dessen Handspiel in der WM-Qualifikation gegen Irland.
Alles wirkt wie ein normaler Fußball-Nachmittag. Das Bier fließt, und wer bei Hüggelmeyer pinkeln muss, der liest: „Aus hygienischen Gründen wird diese Toillette videoüberwacht.” Ein Zeichen?
Auch die drei VfL-Profis sind bei der Staatsanwaltschaft im Rahmen einer Überwachung einer kriminellen Bande unter Verdacht geraten, weil mindestens einer von ihnen telefonischen Kontakt mit einem Mitglied der Wettmafia gehabt haben soll. Es ist das jüngste Gerücht, alles weitere bleibt unscharf.
Im Stadion, das früher Bremer Brücke hieß, laufen sich bereits die Spieler warm. Das Geld regiert auch in Osnabrück, und daher hat der VfL das Stadion in Osnatel-Arena umbenannt.
Thomas Reichenberger ist einer der drei Spieler, deren Namen durch eine Indiskretion auftauchten. Später wird er sagen: „Ich saß am Freitag zuhause mit Freunden und hatte sozusagen die Füße auf dem Tisch, als ich am Telefon von den Vorwürfen erfahren habe.” Weil er – so der im Internet veröffentlichte Vorwurf – für 25 000 Euro zwei VfL-Spiele manipuliert haben soll, würde er per Haftbefehl gesucht.
„Wissen Sie, wie das ist, wenn es plötzlich einen Haftbefehl gegen einen geben soll?”, fragt der Stürmer mit der Bundesliga-Erfahrung aus Leverkusen und Frankfurt. „Ich bin einhundertprozentig rein in der Sache”, beteuert er.
Eine Nacht lang hat sich Reichenberger zuhause vergraben. Jetzt, kurz vor dem Anpfiff ist Schluss mit frustig! Er nimmt auf dem Rasen des Stadions ein Mikrofon und versichert den 9700 Zuschauern: „Ich bin unschuldig!”
Die VfL-Fans glauben ihm und jubeln ihm zu: Reichen-berger lächelt und setzt sich auf die Auswechselbank, er wird an diesem Tag gegen Dortmund nicht spielen.
Es reicht auch ohne ihn zum 4:1-Sieg. Nach dem Schlusspfiff feiert der 34-Jährige mit der Mannschaft, sein Berater Dieter Marquardt redet derweil für ihn: „Ich kenne den Thomas, seit er ein Baby war. Ich lege meine Hand für ihn ins Feuer.” Dann spricht Marquardt von Rufmord und davon, dass er Anfang der Woche rechtliche Schritte einleiten will. Er regt sich über die Art und Weise der Namens-Veröffentlichungen auf. Die Ermittler und er werden Fremde fürs Leben bleiben.
VfL-Trainer Karsten Baumann kommt zur obligatorischen Pressekonferenz nach dem Spiel. In diesem Moment sieht es wieder nach einem normalen Fußball-Tag aus. Zuerst gibt es die Ergebnisse der dritten Liga. Der SV Sandhausen hat gegen die Reserve von Werder Bremen 2:2 gespielt. Baumann analysiert die Partie des VfL. So weit, so normal. Dann bricht es aus ihm heraus.
„Es ist entsetzlich, wie ohne Prüfung Namen in die Öffentlichkeit gezerrt werden.” Baumanns Stimme zittert. „Noch vor einer Woche haben wir uns alle nach dem Tod von Robert Enke versichert, besser aufeinander aufzupassen.” Der Vorsatz hat nicht lange gehalten.
Worte, die nachdenklich machen. Aber die Ermittlungen gehen weiter. Thomas Cichon, in der vergangenen Saison beim VfL und heute in Südafrika beim Erstligisten Moroka Swallos unter Vertrag, ist wie Reichenberger unter Verdacht geraten. Der „Welt” sagte er: „Ich habe damit nichts zu tun.”
In Osnabrück ist es Abend geworden, die Fußball-Welt dreht sich weiter, und im Palais beginnt die „Lila-Weiße Nacht”, eine Party mit Spielern und Fans. Im Foyer spielt eine Band: Die Schlager-Polizei”. Aber zur Aufklärung trägt auch das nicht bei.