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Vor dem Westfalenstadion standen Äcker und Wiesen

Vor dem Westfalenstadion standen Äcker und Wiesen

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Dortmund. Was einst „Weiße Wiese“ war, ist heute der Signal-Iduna-Park. Dazwischen liegen viele Jahre und sogar ein Schalker Gastspiel in der Roten Erde. Ein Überblick über die Spielstätten des BVB in den letzten 100 Jahren.

Zurück zum Anfang. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass Kaplan Hubert Dewald von der Dreifaltigkeitsgemeinde in der Dunkelheit häufiger auf die „Weiße Wiese” geschlichen ist, um seinen „Abtrünnigen” um Heinrich Unger den Spaß am Fußball zu nehmen und ihnen die Tore zu kiebitzen. Die „Weiße Wiese” – das war ein schlichter Acker an der Wambeler/Kirchderner Straße, unmittelbar am Borsigplatz, und erster offizieller Sportplatz des BVB.

Doch die Rebellen, die den Verein „Borussia Dortmund” gegründet hatten, fanden eine kreative Lösung und tricksten den Kirchenmann aus. Sie bastelten Tore aus Kanthölzern und Querlatten, die sie nach ihren Spielen abmontierten, um Dewald und seinen Helfern eine lange Nase zu zeigen.

„Borussia-Sportplatz“

Das frei liegende Gelände entsprach indes nicht den strengen Verbandsstatuten. Deshalb beschloss der Vereinsvorstand um Heinrich Schwaben das kostspielige Projekt „Borussia-Sportplatz”.

Im Sommer 1924 begannen die Baumaßnahmen an der „Weißen Wiese”. Sie wurde von einer 450 Meter langen und 1,80 Meter hohen Mauer eingegrenzt, mit Laufbahn und Sprunggruben für die Leichtathleten ausgestattet. Aufgeschüttete Wälle boten Platz für 15 000 Zuschauer.

Im Jahr 1937 musste der BVB seine Spielstätte verlassen, weil es dem Bau des Hoesch-Erholungsparks weichen sollte. Borussia wurde angewiesen, in die neue Kampfbahn Rote Erde umzuziehen, die im Südwesten der Stadt Dortmund entstanden war und knapp 40 000 Zuschauern Platz bot.

Kampfbahn Rote Erde

Die Kampfbahn Rote Erde wurde in den 30er Jahren zur „zweiten Heimat” für den FC Schalke 04, der hier, auf „neutralem Platz”, seine Endrundenspiele um die Deutsche Meisterschaft austrug.

Neunmal gastierten die „Knappen” in der „Roten Erde” vor insgesamt über 300 000 Zuschauern. Erst nach dem zweiten Weltkrieg zog auch der BVB die Fußball-Fans in die neue Kampfbahn. Sie erlebten rauschende Ball-Nachmittage und -Nächte, Spiele, die man nicht vergisst.

Vor der Saison 1965/66 wurde die Gegengerade mit einer Holztribüne überbaut, am Marathontor entstand eine Stahlrohrtribüne. Doch das Stadion platzte bei großen Spielen aus allen Nähten.

Borussia beklagte wegen des relativ geringen Fassungsvermögens hohe Einnahmeverluste und Wettbewerbsnachteile. Auch sie führten zum Ausverkauf der besten Spieler nach dem Europacupsieg ’66.

Hoeschpark/Brackeler Straße

Der Hoeschpark, der die Umgebung um den Borsigplatz aufhübschen sollte, wurde 1941 als Erlebnis-, Erholungs- und Sportpark eröffnet.

Zu seinen „Sehenswürdigkeiten” gehörten eine Radrennbahn und ein von Stehstufen umgebener Rasenplatz, dessen Ausmaße den FIFA-Vorschriften entsprachen. Borussia bestritt nach dem zweiten Weltkrieg in dieser Umgebung einige Freundschaftsspiele, und die Nachwuchsmannschaften nutzten das Gelände lange Zeit als Trainings- und Spielstätten.

Fast nebenan, an der Brackeler Straße, erwarb der Klub 1959 eine eigene Sportanlage, auf der vor allem Jugend- und Schülerteams ihre Spiele austrugen. Der BVB musste sich wegen seiner dramatischen finanziellen Schieflage 1974 von dieser zweckmäßigen Anlage trennen. Die Stadt Dortmund erwarb sie und zahlte dafür einen Millionen-Betrag.

Obwohl der BVB sportlich auf keinen grünen Zweig mehr kam, beschloss der Rat der Stadt Dortmund am 19. Oktober 1970 den Bau eines neuen Stadions unmittelbar neben der „Roten Erde”.

Die Vorlage, eine reine Fußball-Arena in Palettenbauweise zu errichten, brachte Sportdezernent Erich Rüttel ein. Die Kosten beliefen sich am Ende auf 31,7 Millionen D-Mark. 54 000 Zuschauer fanden Platz, alle 16 500 Sitzplätze waren überdacht. Der Deutsche Fußball-Bund erklärte Dortmunds neues Stadion allerdings allein deshalb zur Weltmeisterschafts-Spielstätte 1974, weil die Stadt Köln ihre WM-Bewerbung zurückgezogen hatte.

Das Eröffnungsspiel bestritten am 2. April 1974 der tief gesunkene BVB und Schalke 04, das erste Länderspiel fand knapp zwei Wochen später statt (Deutschland gewann gegen Ungarn 5:0). Ganz Deutschland schwärmte von einem neuen „Fußball-Tempel”.

Pressestimmen

Die „Hannoversche Allgemeine Zeitung” schrieb: „Atmosphäre, als wär’s das Stadion in Wembley… eine prächtige Arena mit einem kaum zu überbietenden Fluidum.” Und in der Münchner „Abendzeitung” hieß es: „Ein Stadion für die Callas.”

Im Februar 1992 beschlossen Stadtspitze und Verein, die Nordtribüne in einen Sitzplatzbereich für 9000 Zuschauer umzugestalten. Das Fassungsvermögen verringerte sich auf 43 175 Plätze. Weil aber der Durchschnitts-Eintrittspreis stieg, verzeichnete der Verein deutlich höhere Gesamt-Einnahmen.

Ab Juni 1995 wurde, nachdem die Stadt Dortmund am 5. Mai 1995 dem BVB das Westfalenstadion in Erbbaurecht übertragen hatte, die Arena in drei Stufen ausgebaut und ihr Fassungsvermögen sukzessive erweitert, zunächst auf 55 000 (davon 38 500 Sitzplätze), dann auf 68 600. Im Zuge dieser Baumaßnahmen entstand auf der Südgeraden die größte Stehplatztribüne Europas für 25 000 Zuschauer.

Doch Borussia setzte noch einmal neue Maßstäbe. Nachdem Deutschland den Zuschlag erhalten hatte, die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 auszurichten, entschieden sich Vereinsführung und Gremien, die noch offenen vier Stadion-Ecken zu schließen und so weitere 14 500 Sitzplätze zu schaffen. Mit einer Gesamt-Kapazität von nunmehr über 82 000 (davon gut 65 000 Sitzplätze) hatte der BVB prächtige Argumente in der Hand, sich um eines der Prestige-trächtigen WM-Halbfinalspiele zu bewerben.

Ein zu teurer „Spaß”, wie sich bald herausstellen sollte. Denn die Kosten (rund 40 Millionen Euro) erschlugen die Borussia KgaA und den Verein.

Ist ein WM-Halbfinale die Überschuldung wert?

Dortmund erlebte tolle WM-Spiele und tatsächlich ein mitreißendes Halbfinalspiel, das Deutschland nach Verlängerung gegen Italien verlor (0:2). Die Fußball-Welt berauschte sich an dieser WM-Arena im Herzen Westfalens, und die renommierte englische Zeitung „Times” wählte sie kürzlich erst zum „schönsten Stadion der Welt”. Und aktuell hat die Stadt Dortmund angekündigt, Europas größten Stehplatz-Bereich, die Südtribüne, in die Denkmalliste einzutragen.

Aber die Arena wäre beinahe zum Grab für den BVB geworden. Seit dem 1. Dezember 2005 heißt das Westfalenstadion „Signal Iduna Park”. Die KgaA-Geschäftsführung musste, um die Existenz des Klubs zu sichern, die Namensrechte an den Versicherungs- und Finanzdienstleister abtreten. „Sonst”, behauptet Hans-Joachim Watzke, der Vorsitzende der Geschäftsführung, „würden wir nicht mehr in der Bundesliga spielen.”

Dortmund und Borussia sind auf der einen Seite mächtig stolz auf ihr Fußball-Wahrzeichen, auf Wahnsinns-Zuschauerzahlen, auf der anderen Seite aber empfinden es jene, die es heute und in den nächsten Jahren noch zu finanzieren haben, als gewaltigen „Klotz am Bein”. Sie fragen sich: War ein WM-Halbfinale die totale Überschuldung des Vereins wert?